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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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aufsprühte, war von nur drei Damen besetzt, drei Scheusalen, die gräßlich angezogen waren und sich hier für einen Tag zu bösen Klatschereien niedergelassen hatten. Hinter sich hörte er, wie eine heisere Stimme harte Silben zermalmte: das war ein Engländer in kariertem Jackett, der einer tief in einen Reisestaubmantel eingemummten gelben Frau das Gemetzel erklärte. Stellenweise waren die Säle noch leer, Gruppen bildeten sich, bröckelten auseinander, bildeten sich in einiger Entfernung von neuem; alle Köpfe blickten in die Höhe, die Männer trugen Spazierstöcke und Überzieher über dem Arm, die Frauen schritten langsam dahin, blieben stehen und boten sich ungünstig im Profil dar; und sein Malerauge kam besonders von den Blumen auf ihren Hüten nicht los, sehr grellen Farbtönen inmitten der düsteren Wogen der schwarzseidenen Zylinder. Er erblickte drei Priester, zwei einfache Soldaten, die Gott weiß wie hier hereingeraten sein mochten, nicht abreißende Reihen von ordengeschmückten Herren, ganze Züge von jungen Mädchen mit ihren Müttern, die den Verkehr behinderten. Viele kannten sich indessen, von weitem wurde herübergelächelt, gegrüßt, mitunter im Vorbeigehen ein rascher Händedruck getauscht. Die Stimmen blieben zurückhaltend und wurden vom unausgesetzten Scharren der Füße übertönt.
    Da begann Claude, sich nach seinem Bild umzuschauen. Er suchte sich nach den Buchstaben zurechtzufinden, irrte sich, folgte den Sälen links. Alle Türen taten sich der Reihe nach auf, in einer tiefen Flucht von Portieren aus alten Kanevasstickereien konnte man von den Bildern hie und da flüchtig eine Ecke schauen. Er ging bis zum großen Westsaal, kam durch die andere Reihe von Sälen wieder zurück, ohne seinen Buchstaben zu finden. Und als er wieder in den Ehrensaal geriet, war das Gewühl darin rasch größer geworden, man konnte nur noch mühsam vorwärts kommen. Claude, der dieses Mal kaum von der Stelle kam, erkannte Maler, das Volk der Maler, das sich an diesem Tage wie zu Hause fühlte und die Gäste herumführte: einer besonders fiel ihm auf, ein alter Freund aus dem Atelier Boutin, der noch jung war, von dem Verlangen, endlich bekannt zu werden, verzehrt wurde, auf die Medaille hinarbeitete, sich an alle Besucher von irgendwelchem Einfluß heranmachte und sie mit Gewalt zu seinen Bildern führte; dann der berühmte, reiche Maler, der vor seinem Werk geradezu einen Empfang veranstaltete, mit einem Lächeln des Triumphs auf den Lippen und einer prahlerischen Galanterie gegenüber den Damen, die ihn als ein sich unaufhörlich erneuernder Hofstaat umringten; dann die anderen, die Rivalen, die einander nicht ausstehen konnten und sich gegenseitig mit voller Stimme Lobsprüche zuschrien; die Scheuen, die von einer Tür aus den Erfolg der Kumpels belauerten; die Schüchternen, die man um alles in der Welt nicht in ihre Säle hätte bringen können; die Angeber, die unter einer komischen Bemerkung die blutende Wunde ihrer Niederlage verbargen, die Aufrichtigen, die gedankenversunken dastanden, das alles zu verstehen suchten und bereits die Medaillen verteilten. Und es waren auch die Familien von Malern da; eine junge, reizende Frau, begleitet von einem kokett herausgeputzten Kind; eine sauertöpfige, hagere Spießerin zwischen zwei häßlichen Frauenzimmern in Schwarz; eine dicke Mutter, die inmitten eines ganzen Stammes von rotznäsigen Bälgern auf einem Bänkchen gestrandet war; eine reife, noch schöne Dame, die mit ihrer erwachsenen Tochter zuschaute, wie eine Dirne vorüberschritt, die Geliebte des Vaters, beide waren sehr ruhig und tauschten ein Lächeln; und es waren auch noch Modelle da, Frauen, die einander am Arm zogen, die sich gegenseitig auf den Aktbildern ihre Körper zeigten, sie redeten laut, waren geschmacklos angezogen, entstellten ihre herrlichen Leiber durch solche Kleider, daß sie geradezu bucklig wirkten neben hübsch gekleideten Puppen, Pariserinnen, von denen beim Auspellen nichts übriggeblieben wäre.
    Als sich Claude aus diesem Gewühl herausgearbeitet hatte, ging er durch die Türen rechts. Sein Buchstabe war auf dieser Seite. Er nahm die mit einem L bezeichneten Gänge in Augenschein. Vielleicht war sein Gemälde verwechselt, fehlgeleitet worden und diente nun woanders als Lückenbüßer. Da er im großen Ostsaal angelangt war, eilte er durch die anderen, kleinen Säle zurück, die abgelegen waren und wenig besucht wurden, in denen die Bilder vor Langeweile braun zu werden

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