Das Werk - 14
herzu und sperrte vor Bewunderung Mund und Nase auf. Er stellte sich auf die Fußspitzen und gewahrte schließlich das Wunderding, er erkannte, nach allem, was man ihm davon gesagt hatte, das Sujet wieder.
Es war das Bild von Fagerolles. Und er fand in diesem »Frühstück« sein Bild »Im Freien« wieder, denselben blonden Farbton, dieselbe Kunstformel, aber um wieviel gemildert, gemogelt, verdorben, von einer oberflächlichen Eleganz, die mit unendlicher Geschicklichkeit für die Befriedigung der niedrigen Instinkte des Publikums zurechtgemacht war. Fagerolles hatte nicht den Fehler begangen, seine drei Frauen nackt auszuziehen; nur in ihren gewagten Toiletten der Damen von Welt hatte er sie ausgezogen: die eine zeigte ihren Busen unter der durchscheinenden Spitze der Bluse; die andere entblößte ihr rechtes Bein bis zum Knie, indem sie sich hintüberbog, um einen Teller zu nehmen; die dritte, die nicht ein Zipfelchen ihrer Haut preisgab, war in eine so eng anliegende Robe gekleidet, daß sie dadurch schamlos verwirrend wirkte mit ihrer gespannten Stutenkruppe. Was die beiden galanten Herren in den Landjacken betraf, so verwirklichten sie den Traum von Vornehmheit, während in der Ferne ein Diener noch einen Korb aus dem Landauer holte, der hinter den Bäumen hielt. Das alles, die Gestalten, die Stoffe, das Stilleben des Frühstücks, hob sich in der prallen Sonne heiter ab vom düsteren Grün des Hintergrunds; und die höchste Geschicklichkeit lag in der prahlerischen Verwegenheit, in dieser verlogenen Kraft, die die Menge gerade genug bedrängte, damit sie vor Wonne verging. Das Entfachen von Sturmesgewalten, um nichts als Sahne zu schlagen.
Da Claude nicht näher treten konnte, horchte er auf Bemerkungen rings um sich. Endlich war da einer, der echte Wahrheit darstellte! Der trug nicht dick auf wie diese Trottel von der neuen Schule, der verstand alles hineinzulegen, ohne das geringste hineinzulegen. Ah, die feinen Abstufungen, die Kunst des Unausgesprochenen, die Achtung vor dem Publikum, das Halten an gute Manieren! Und das mit einer Feinheit, einer Anmut, einem Geist! Der ließ sich nicht ungehörig zu leidenschaftlichen Stücken, zu einem überquellenden Schaffen hinreißen; nein, wenn der drei Farbtöne der Natur entnahm, gab er drei Farbtöne wieder, nicht einen mehr. Und ein Lokalberichterstatter, der eben eintraf, geriet in Verzückung, fand das richtige Wort: eine echt pariserische Malerei. Man sagte das weiter, es ging niemand vorbei, ohne das für echt pariserisch zu erklären.
Diese krummen Rücken, diese Bewunderungsausbrüche, die zu einer Flut von Katzbuckeleien anstiegen, brachten Claude schließlich zur Verzweiflung; und von dem Bedürfnis erfaßt, die Köpfe zu sehen, aus denen sich ein Erfolg zusammensetzte, zwängte er sich durch den Haufen; er brachte es zuwege, sich mit dem Rücken an die Leisten des Wandsockels zu lehnen. Da hatte er das Publikum von vorn im grauen Tageslicht, das durch das Leinen an der Decke sickerte und die Mitte des Saales auslöschte, während das von den Rändern der Leinwand gleitende grelle Licht die Bilder an den Wänden mit einer weißen Bahn beleuchtete, in der das Gold der Rahmen den warmen Ton der Sonne annahm. Sofort erkannte er die Leute wieder, die ihn einstmals ausgejohlt hatten: wenn es nicht die hier waren, dann waren es ihre Brüder; aber ernsthaft, verzückt, verschönt von ehrfurchtsvoller Aufmerksamkeit. Der schlimme Ausdruck der Gesichter, diese Erschöpfung des Kampfes, diese Galle des Neides, die die Haut verzerrten und gilbten und die ihm damals aufgefallen waren, wurde hier milder im einhelligen Vergnügen einer liebenswürdigen Lüge. Zwei dicke Damen gähnten behaglich mit offenem Mund. Alte Herren machten große Augen und setzten eine verständnisinnige Miene auf. Ein Ehemann erklärte das Sujet ganz leise seiner jungen Frau, die mit dem Kinn nickte und dabei den Hals entzückend bewegte. Es gab seliges, erstauntes, tiefes, fröhliches, strenges Wundern, unbekümmertes Lächeln, hinsterbende Gesichtszüge. Die Zylinder rutschten halb hintüber, die Blumen auf den Hüten der Damen flossen ihnen in den Nacken. Und alle diese Gesichter verharrten reglos eine Minute lang, wurden unausgesetzt weggeschoben, ersetzt durch andere, die ihnen glichen.
Da vergaß Claude alles um sich, war starr angesichts dieses Triumphs. Der Saal wurde zu klein, immer neue Scharen pferchten sich darin zusammen. Da gab es keine leeren Stellen mehr wie in den ersten
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