Das Werk - 14
mit der Zeit zum ängstlichen Gehorsam eines kleinen Jungen gebracht, den schon die Drohung, man werde ihm das Kompott entziehen, artig sein läßt. Diese schamlose Nutte hatte sich als eine herrschsüchtige, nach Hochachtung hungernde, von Ehrgeiz und Geilheit zerfressene Gattin entpuppt. Sie betrog ihn nicht einmal, war von der sauren Tugendhaftigkeit einer ehrbaren Frau, abgesehen von den einstigen Praktiken, die sie für ihn allein beibehielt, um daraus das eheliche Werkzeug ihrer Macht zu machen. Es hieß, man habe sie beide in der Kirche NotreDame de Lorette zur Kommunion gehen sehen. Sie küßten sich vor den Leuten, sie gaben sich Kosenamen. Jedoch abends mußte er erzählen, wie sein Tag verlaufen war, und wenn die Verwendung einer Stunde unklar blieb, wenn er nicht sogar die Centimesbeträge der Summen anbrachte, die er einnahm, ließ sie ihn eine solche Nacht verbringen, drohte ihm mit schweren Krankheiten, ließ das Bett mit ihrer frommen Weigerung erkalten, daß er ihre Vergebung jedesmal teurer erkaufte.
»Also«, sagte Jory mehrmals, der das mit Wonne erzählte, »haben wir den Tod meines Vaters abgewartet, und ich habe sie geheiratet.«
Claude, der bis dahin mit den Gedanken woanders war, nickte, ohne zuzuhören, erfaßte lediglich den letzten Satz.
»Was, du hast sie geheiratet? – Die Mathilde?« Er legte in diesen Ausruf sein Erstaunen über das Ereignis, alle in ihm wiederaufsteigenden Erinnerungen an den Laden von Mahoudeau. Dieser Jory, er hörte ihn noch in abscheulichen Ausdrücken von ihr sprechen, er entsann sich seiner vertraulichen Geständnisse eines Morgens auf einem Bürgersteig – romantische Orgien, greuliche Dinge, hinten in dem vom strengen Geruch der Aromaten verpesteten Kräuterladen. Die ganze Schar war drübergerutscht, Jory war schnöder zu ihr gewesen als die anderen, und er heiratete sie! Wahrhaftig, ein Mann war dumm, wenn er schlecht von einer Geliebten sprach, und wäre es auch die Verworfenste, denn er wußte ja nie, ob er sie nicht doch eines Tages heiratete.
»Ach ja, Mathilde«, antwortete Jory lächelnd. »Laß man, diese alten Geliebten, das sind immer noch die besten Frauen.«
Heitere Gelassenheit erfüllte ihn, seine Erinnerung war tot, er verstand keine Anspielung und empfand keine Verlegenheit unter den Blicken der Kumpels, als sei Mathilde anderswo hergekommen; er stellte sie ihnen hin, als hätten sie sie nicht ebensogut gekannt wie er.
Sandoz, der mit einem Ohr der Unterhaltung folgte und den dieser schöne Fall sehr interessierte, rief, als die beiden verstummten:
»Los, gehen wir … Mir sind die Beine eingeschlafen.«
Aber in diesem Augenblick erschien Irma Bécot und blieb vor dem Buffet stehen. Sie zeigte sich in voller Pracht und Schönheit mit ihren frisch vergoldeten Haaren, im falschen Glanz einer aus einem alten Renaissancerahmen herabgestiegenen rotblonden Kurtisane; und de trug eine Tunika aus blaßblauem Brokat über einem mit Alençonspitze besetzten so kostbaren Seidenrock, daß eine ganze Eskorte von Herren sie begleitete. Als sie Claude inmitten der anderen bemerkte, zögerte sie einen Augenblick; von einer feigen Scham ergriffen angesichts dieses schlecht gekleideten, häßlichen und verachteten Unglücksmenschen. Dann wurde sie beherzt wie damals bei ihrer Kapriole, und vor all diesen untadeligen Männern, die große Augen machten, gab sie ihm als erstem die Hand. Sie lachte zärtlich mit freundschaftlichem Spott, wobei sie ein wenig die Mundwinkel einkniff.
»Nichts für ungut«, sagte sie heiter zu ihm.
Und bei dieser Bemerkung, die nur sie zwei verstanden, lachte sie noch mehr. Das war ihrer beider ganze Geschichte. Der arme Junge, den sie hatte vergewaltigen müssen und der kein Vergnügen dabei gehabt hatte.
Schon bezahlte Fagerolles seine beiden Gläschen Chartreuse und ging mit Irma davon; und Jory entschloß sich ebenfalls, ihr zu folgen.
Claude schaute ihnen nach, wie sie sich alle drei entfernten, sie zwischen den beiden Männern, königlich durch die Menge schreitend, von vielen bewundert, von vielen gegrüßt.
»Man merkt, daß Mathilde nicht da ist«, sagte Sandoz lediglich. »Ach, meine Freunde, was für ein paar Ohrfeigen wird der beim Nachhausekommen kriegen!«
Auch er bat um die Rechnung. Alle Tische leerten sich, es herrschte nur noch ein wüstes Wirrwarr von Knochen und Krusten. Zwei Kellner wischten die Marmorplatten mit dem Schwamm ab, während ein anderer, mit einem Rechen bewaffnet, über den von
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