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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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verschachtelten Stühlen heran, schwoll an, trat über die Ufer und floß auseinander bis in den Garten unter der großen, blassen Helligkeit, die von den Scheiben herabsank.
    Schließlich sah Sandoz, wie einige Leute aufstanden. Er stürzte hinzu, er eroberte inmitten des Haufens in lautem Kampf den Tisch.
    »Ach, verflixt, da säßen wir … Was willst du essen?«
    Claude machte eine gleichgültige Handbewegung. Das Mittagessen war übrigens scheußlich, in polnischer Sauce aufgeweichte Forelle, ein im Herd verbrutzeltes Filet, nach feuchter Wäsche riechender Spargel; und obendrein mußte man noch kämpfen, um überhaupt bedient zu werden, denn die Kellner, die herumgestoßen wurden und den Kopf verloren, konnten weder vorwärts noch zurück in den zu engen Durchgängen, die von der Flut der Stühle immer weiter verengt und schließlich völlig verstopft wurden. Hinter dem Vorhang links hörte man ein Geklapper von Kasserollen und Geschirr, dort war die Küche auf dem Sand eingerichtet, so wie die Kirmesbratküchen, die im Freien an den Landstraßen aufgeschlagen werden.
    Sandoz und Claude mußten schief sitzen beim Essen, bekamen keine Luft, so eingeengt waren sie zwischen zwei Gesellschaften, die ihnen mit den Ellbogen nach und nach auf die Teller rückten; und jedesmal, wenn ein Kellner vorbeikam, rempelte er mit der Hüfte heftig die Stühle an. Aber diese Beengtheit wirkte ebenso wie das gräßliche Essen aufheiternd. Man machte Witze über die Gerichte, Vertraulichkeit entspann sich von Tisch zu Tisch in dieser Zufallsgemeinschaft, in der es bald zuging wie bei einem Vergnügungsausflug. Leute, die einander nicht kannten, fühlten sich schließlich seelenverwandt, Freunde unterhielten sich auf drei Reihen Entfernung, verdrehten dabei den Kopf und fuchtelten über die Schultern der Nachbarn hinweg. Besonders die Frauen wurden lebhaft, waren zunächst beängstigt über dieses Gewühl, zogen dann ihre Handschuhe aus, schlugen ihre Gesichtsschleier hoch und lachten beim ersten Schlückchen unverdünnten Wein. Und das war gerade der besondere Reiz dieses Tages der Vorbesichtigung, diese gemischte Gesellschaft, bei der alle Welt miteinander in enge Berührung kam, Dirnen, Bürgerfrauen, große Künstler, einfache Dummköpfe – ein zufälliges Zusammentreffen, ein Mischmasch, dessen unvorhergesehene Zweideutigkeit die Augen der ehrbarsten Frauen aufleuchten ließ.
    Indessen hob Sandoz, der darauf verzichtet hatte, sein Fleisch aufzuessen, inmitten des schrecklichen Lärms der Gespräche und der Bedienung die Stimme:
    »Ein Stück Käse, he? – Und wir wollen zusehen, daß wir Kaffee kriegen!«
    Claude starrte mit unbestimmtem Blick vor sich hin und hörte nichts. Er schaute in den Garten. Von seinem Platz aus konnte er das Mittelmassiv sehen, große Palmenbäume, die sich von den braunen Behängen abhoben, mit denen der ganze Rundgang ausgeschmückt war. Dort standen in einigem Abstand voneinander Statuen im Kreis: der Rücken einer Fauna105 mit geschwelltem Hinterteil; das hübsche Profil eines Jungmädchenaktes, eine Wangenrundung, eine Brustwarze auf einer kleinen straffen Brust; das Gesicht eines bronzenen Galliers, ein übergroßes kitschiges Standbild von aufreizend dummem Patriotismus; der milchige Bauch einer an den Handgelenken aufgehängten Frau, irgendeiner Andromeda106 aus der Gegend um den Place Pigalle107; und andere, noch andere, Reihen von Schultern und Hüften, die den Biegungen der Gartenwege folgten, ein Entfliehen von Weißtönungen quer durch das Grün, Köpfe, Brüste, Beine, Arme, die miteinander verschmolzen und verflossen, je weiter weg sie standen. Links verlor sich eine Reihe von Büsten, an denen man seine helle Freude hatte: die ungewöhnliche Komik einer langen Reihe von Nasen, ein Priester mit riesiger, spitzer Nase, eine Soubrette mit kleiner Stupsnase, eine Italienerin aus dem fünfzehnten Jahrhundert mit schöner klassischer Nase, ein Matrose mit schlichter Phantasienase, alle Nasenformen, die Justizbeamtennase, die Industriellennase, die Ordensträgernase, unbeweglich und ohne Ende.
    Aber Claude sah nichts; das waren nur graue Flecken im trüb und grün gewordenen Tageslicht. Seine Benommenheit hielt an, er nahm nur eins wahr, den großen Luxus der Toiletten, den er inmitten des Gedränges in den Sälen nicht richtig beurteilt hatte und der sich hier nun frei entfaltete wie auf dem Kiesboden eines Schloßwintergartens. Die ganze Eleganz von Paris zog vorüber, die Damen, die

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