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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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er wiederum seinem großen Gemälde: es kam dabei nicht mehr zu solchen Zornesausbrüchen, er schien sich mit ruhiger Miene, beharrlichem und hoffnungslosem Fleiß in dieses ewige Schuften zu schicken. Aber seine Augen behielten den irren Ausdruck, es war darin gleichsam ein Sterben des Lichtes zu sehen, wenn sie auf das verfehlte Werk seines Lebens starrten.
    Um diese Zeit hatte auch Sandoz großen Kummer. Seine Mutter starb, sein ganzes Dasein wurde erschüttert, dieses so innige Dasein zu dritt, in das nur ein paar Freunde Eingang fanden. Das Gartenhaus in der Rue Nollet war ihm nun verhaßt. Übrigens hatte sich nach dem bislang so mühseligen Absatz seiner Bücher ein jäher Erfolg eingestellt; und das mit diesem Reichtum überschüttete Ehepaar hatte soeben in der Rue de Londres eine geräumige Wohnung gemietet, mit deren Einrichtung es monatelang beschäftigt war.
    Durch seine Trauer war Sandoz Claude in einem gemeinsamen Ekel vor den Dingen noch nähergekommen. Nach dem furchtbaren Schlag, den der letzte Salon Claude versetzt hatte, machte sich Sandoz ernste Sorgen um seinen alten Kumpel, weil er in ihm einen nicht wiedergutzumachenden Riß, irgendeine Wunde ahnte, durch die unsichtbar das Leben entrann. Als er ihn dann so kühl, so weise sah, hatte er sich schließlich ein wenig beruhigt.
    Oft ging Sandoz in die Rue Tourlaque hoch, und wenn er zufällig nur Christine dort antraf, fragte er sie aus, und er begriff, daß auch sie in Angst und Schrecken vor einem Unglück lebte, von dem sie niemals sprach. Sie hatte ein zerquältes Gesicht und zuckte dann und wann nervös zusammen, wie eine Mutter, die über ihr Kind wacht und die zittert, beim geringsten Geräusch den Tod eintreten zu sehen.
    An einem Morgen im Juli fragte er sie:
    »Na, sind Sie nun zufrieden? Claude ist ruhig, er arbeitet tüchtig.«
    Sie warf einen Blick auf das Bild, wie üblich einen Seitenblick voller Grauen und Haß.
    »Ja, ja, er arbeitet … Er will erst alles zu Ende führen, bevor er sich wieder an die Frau macht …« Und ohne die Furcht einzugestehen, von der sie besessen war, fügte sie leiser hinzu: »Aber seine Augen, sind Ihnen seine Augen nicht aufgefallen? – Er hat immerzu seine bösen Augen. Ich, ich weiß genau, daß er lügt, wenn er so tut, als ob er sich nicht ärgert … Ich bitte Sie, kommen Sie ihn doch ab und zu abholen, nehmen Sie ihn mit, damit er auf andere Gedanken kommt. Er hat ja nur noch Sie, helfen Sie mir, helfen Sie mir!«
    Von da an erfand Sandoz allerlei Vorwände für Spaziergänge, kam schon am Morgen zu Claude und entführte ihn gewaltsam der Arbeit. Fast immer mußte er ihn von seiner Leiter wegreißen, auf der er, auch wenn er nicht malte, sitzen blieb. Anwandlungen von Müdigkeit hielten ihn auf. Benommenheit machte ihn für lange Minuten fühllos, in denen er keinen Pinselstrich tat. In diesen Augenblicken stummer Betrachtung schweifte sein Blick mit einer religiösen Inbrunst zu der Frauengestalt zurück, an die er nicht mehr rührte: es war dies gleichsam das zögernde Verlangen einer tödlichen Wollust, die unendliche Zärtlichkeit und der heilige Schrecken einer Liebe, die er sich versagte, weil er gewiß war, dabei das Leben zu lassen. Dann machte er sich an die anderen Gestalten im Hintergrund des Bildes, wohl wissend jedoch, daß sie immerzu da war, und sein Blick flackerte, wenn er ihr begegnete; Claude war Herr über seinen Rausch nur solange, wie er nicht zu ihrem Schoß zurückkehrte und sie ihn nicht wieder mit ihren Armen umschloß.
    Christine, die nun bei Sandoz empfangen wurde und die an keinem Donnerstag fehlte, weil sie hoffte, daß ihr großes krankes Kind, der Künstler, dort etwas aufgeheitert werde, nahm eines Abends den Herrn des Hauses beiseite und flehte ihn an, am nächsten Tage unverhofft bei ihr hereinzuschauen. Und am nächsten Tage kam Sandoz, der gerade für einen Roman auf der anderen Seite des Montmartre Notizen machen mußte, und nahm Claude gewaltsam mit, um sich bis in die Nacht mit ihm herumzutreiben.
    Als sie an diesem Tage zur Porte de Clignancourt hinuntergegangen waren, wo ständig ein Jahrmarkt mit Pferdekarussell, Schießbuden, Ausschankzelten abgehalten wurde, sahen sie sich zu ihrer Verblüffung plötzlich Chaîne gegenüber, der inmitten einer geräumigen und reich ausgestatteten Bude thronte. Es war dies eine Art üppig geschmückter Kapelle: vier Glücksräder reihten sich darin nebeneinander, mit Porzellansachen, Glasgeschirr, Nippsachen

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