Das Werk - 14
überladene runde Tische, und wenn die Hand eines Spielers die Drehscheibe in Bewegung setzte, die an der Metallzunge knirschte, blitzten all dieser Lack und all diese Vergoldungen auf beim Klingklang der Harmonika; sogar ein lebendes, mit rosa Seidenbändern festgebundenes Kaninchen, der Hauptgewinn, drehte sich endlos, trunken vor Entsetzen. Und diese Reichtümer waren umrahmt von roten Wandbespannungen, Bogenbehängen, Vorhängen, zwischen denen man im Hintergrund der Bude wie am Allerheiligsten eines Tabernakels drei Bilder aufgehängt sah, die drei Meisterwerke Chaînes, die ihm von Jahrmarkt zu Jahrmarkt von einem Ende von Paris zum anderen folgten: die Ehebrecherin in der Mitte, die Kopie des Mantegna links, Mahoudeaus Ofen rechts. Wenn abends die Petroleumlampen flammten und die Glücksräder schnarrten und wie Gestirne strahlten, gab es nichts Schöneres als diese Malereien im blutenden Purpur der Stoffe; und Mund und Nase aufsperrend, drängte sich das Volk davor.
Bei diesem Anblick entfuhr Claude der Ausruf:
»Ach, mein Gott! – Aber diese Gemälde sind ja sehr gut! Für so was sind sie geschaffen!«
Vor allem der Mantegna sah in seiner naiven Sprödigkeit aus wie ein verschossenes Bilderbogenbild, das man dort zum Vergnügen der einfachen Leute angenagelt hatte, während der peinlich genau gemalte schiefe Ofen als Gegenstück zu dem Pfefferkuchenchristus unerwartet heiter wirkte.
Aber Chaîne, der soeben die beiden Freunde erblickt hatte, streckte ihnen die Hand hin, als habe er sich erst am Vortage von ihnen getrennt. Er war ruhig, auf seine Bude war er nicht gerade stolz, schämte sich ihrer aber auch nicht, und er war nicht gealtert, hatte noch immer die lederne Haut, die zwischen den beiden Backen gänzlich verschwundene Nase, den vom langen Schweigen verschleimten, im Bart versunkenen Mund.
»Na, so trifft man sich wieder!« sagte Sandoz fröhlich. »Wissen Sie, Ihre Bilder haben eine tolle Wirkung.«
»Der Spaßvogel!« fügte Claude hinzu. »Der hat seinen kleinen Salon für sich privat. Das ist sehr schlau, so was!«
Chaînes Gesicht strahlte, und er sagte wie üblich:
»Klar!« In seinem wiedererwachenden Künstlerstolz sprach er, dem man sonst kaum ein Grunzen entlockte, einen ganzen Satz: »Ach, klar, wenn ich Geld gehabt hätte wie ihr, hätte ich es trotzdem auch zu was gebracht wie ihr.«
Das war seine Überzeugung. Niemals waren ihm Zweifel an seinem Talent gekommen, er ließ lediglich ab von dem Spiel, weil nichts dabei herauskam. Wenn er im Louvre vor den Meisterwerken stand, war er einzig und allein davon überzeugt, daß man dazu Zeit haben müsse.
»Lassen Sie’s gut sein«, versetzte Claude, der wieder düster geworden war, »grämen Sie sich nicht deswegen, Sie allein haben es geschafft … Das Geschäft geht doch, nicht wahr?«
Aber Chaîne brummelte bittere Worte. Nein, nein, nichts ging, nicht einmal die Glücksräder. Die Leute spielten nicht, das ganze Geld wanderte in den Weinausschank. Man mochte noch soviel Ramsch kaufen und mit der flachen Hand auf den Tisch hauen, damit die Metallzunge nicht beim Hauptgewinn stehenblieb: das lohnte sich kaum. Da Leute herzugetreten waren, unterbrach er sich dann und schrie mit grober Stimme, die die beiden anderen nicht an ihm kannten und die sie in Bestürzung versetzte:
»Meine Herrschaften, spielen Sie mit! – Jeder Einsatz gewinnt!« Ein Arbeiter, der ein kleines kränkliches Mädchen mit großen gierigen Augen auf dem Arm hatte, ließ das Kind zwei Einsätze machen. Die Scheiben knirschten, die Nippsachen tanzten glitzernd, das lebende Kaninchen drehte sich, drehte sich mit runtergeschlagenen Ohren so rasch, daß es verwischte und nur noch ein weißlicher Kreis war. Es gab eine große Aufregung, das Mädelchen hätte beinahe das Kaninchen gewonnen.
Da entfernten sich die beiden Freunde, nachdem sie dem von der ausgestandenen Angst um den Hauptgewinn noch zitternden Chaîne die Hand gedrückt hatten.
»Der hat’s gut«, sagte Claude nach etwa fünfzig Schritten, die sie schweigend gegangen waren.
»Der?« rief Sandoz aus. »Der bildet sich ein, daß er sich um den Sitz im Institut de France gebracht hat, und er stirbt darüber!«
Einige Zeit später, gegen Mitte August, ließ sich Sandoz, um Claude auf andere Gedanken zu bringen, eine richtige Reise einfallen, einen Ausflug, der einen ganzen Tag dauern sollte. Er war Dubuche begegnet, einem verhärmten, trübsinnigen Dubuche voller Wehleidigkeit und zärtlicher
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