Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
nicht einmal dazu, eine Baustelle mit vier Leuten zu leiten. Ein Zusammenbruch, ein jämmerliches Versagen, der Bankrott der Ecole des BeauxArts vor einem Maurer!
    Claude, der schließlich doch zugehört hatte, fragte:
    »Na, was macht er denn jetzt?«
    »Ich weiß nicht, sicher gar nichts«, antwortete Sandoz. »Er hat mir gesagt, daß er sich Sorgen um die Gesundheit seiner Kinder macht und daß er sie pflegt.«
    Frau Margaillan, diese blasse, wie eine Messerklinge dünne Frau, war an Schwindsucht gestorben; und das war das ererbte Leiden, der Verfall der Familie, denn ihre Tochter Régine hustete seit ihrer Hochzeit auch. Zur Zeit war sie zur Kur in Bad MontDore, wohin sie ihre Kinder nicht mitzunehmen gewagt hatte, denen es im vergangenen Jahr in der Kurzeit in dieser Luft, die zu scharf war für ihre Anfälligkeit, sehr schlecht gegangen war. Das erklärte, warum die Familie so getrennt lebte: die Mutter dort im Bad allein mit einer Zofe; der Großvater in Paris, wo er seine großen Arbeiten wiederaufgenommen hatte, sich inmitten seiner vierhundert Arbeiter herumschlug und die Faulpelze und die Unfähigen mit seiner Verachtung überschüttete; und der nach La Richaudière geflohene Vater, mit der Wartung seiner Tochter und seines Sohnes betraut und seit dem ersten Kampf hier eingesperrt wie ein Invalide des Lebens. In einem mitteilsamen Augenblick hatte Dubuche durchblicken lassen, daß seine Frau bei der zweiten Entbindung beinahe gestorben wäre und bei der kleinsten Berührung, die zu lebhaft war, in Ohnmacht sank; deshalb hatte er es sich zur Pflicht gemacht, jeden ehelichen Verkehr mit ihr einzustellen. Nicht einmal diese Erquickung!
    »Eine schöne Ehe«, sagte Sandoz abschließend.
    Es war zehn Uhr, als die beiden Freunde am Gittertor von La Richaudière klingelten. Das Besitztum, das sie nicht kannten, setzte sie in höchstes Erstaunen: ein prachtvoller hochstämmiger Baumbestand, ein französischer Garten mit Auffahrten und Freitreppen, die sich königlich entfalteten, drei ungeheuer große Gewächshäuser, vor allem eine riesige Kaskade, ein tolles Ding aus herbeigeschleppten Felsbrocken, aus Zement und Wasserleitungen, in das der Besitzer mit der Eitelkeit eines früheren Kalkrührers ein Vermögen hineingesteckt hatte. Und was sie noch mehr verblüffte, war die schwermütige Öde dieses Anwesens; die geharkten breiten Wege ohne eine Fußspur, weit und breit alles leer, bis auf die seltenen Schatten der Gärtner, die vorbeikamen, und das ausgestorbene Haus, dessen Fenster alle geschlossen waren, bis auf zwei, die kaum einen Spalt breit offenstanden.
    Jedoch ein Diener, der sich entschlossen hatte, zum Vorschein zu kommen, fragte sie nach ihrem Begehr; und als er erfuhr, daß sie zu dem Herrn wollten, schlug er einen unverschämten Ton an; er antwortete, der Herr sei hinter dem Haus auf dem Turnplatz. Dann ging er wieder ins Haus zurück.
    Sandoz und Claude gingen eine Allee hinunter, kamen dann bei einer Rasenfläche heraus, und was sie sahen, veranlaßte sie, einen Augenblick stehenzubleiben.
    Dubuche, der vor einem Hängereck stand, hatte die Arme hoch erhoben, um seinen Sohn Gaston zu halten, ein armseliges, kränkliches Wesen, das mit zehn Jahren noch die weichen Ärmchen eines Kleinkindes hatte, während in einem Wagen das Mädelchen Alice saß und wartete, bis es an die Reihe kam. Die Kleine war zu früh zur Welt gekommen, so unfertig, daß sie mit sechs Jahren noch nicht gehen konnte. Ganz vertieft fuhr der Vater fort, die zerbrechlichen Glieder des kleinen Jungen ihre Übungen machen zu lassen, er schaukelte ihn, suchte ihn vergeblich zu bewegen, sich an den Handgelenken hochzuziehen; als diese leichte Anstrengung ausgereicht hatte, Gaston in Schweiß zu bringen, trug er ihn beiseite und wickelte ihn in eine Decke: all das tat er schweigend und einsam unter dem weiten Himmel und erregte herzzerreißendes Mitleid inmitten dieses schönen Parks. Aber als er sich wieder aufrichtete, erblickte er die beiden Freunde.
    »Was! Ihr seid’s! – An einem Sonntag, und ohne mich vorher zu benachrichtigen!« Er machte eine trostlose Gebärde, er erläuterte sofort, daß am Sonntag die Kammerfrau, die einzige Frau, der er die Kinder anzuvertrauen wagte, nach Paris zu fahren pflegte und daß es ihm dann unmöglich sei, Alice und Gaston eine Minute allein zu lassen. »Ich wette, ihr kommt zum Mittagessen?«
    Auf Claudes flehenden Blick hin antwortete Sandoz schleunigst:
    »Nein, nein. Wir haben gerade bloß

Weitere Kostenlose Bücher