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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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doch könnte!«
    Sie stieß einen Siegesschrei aus:
    »Endlich bist du mein, es gibt nur noch mich, die andere ist tot!« Und sie entriß ihn dem verfluchten Werk, und scheltend und triumphierend zog sie ihn in ihre Stube, in ihr Bett.
    Die Kerze auf der Leiter brannte zu Ende, zwinkerte einen Augenblick hinter ihnen her und ertrank dann. Fünf Uhr schlug die Kuckucksuhr, noch erhellte kein Lichtschein den nebligen Novemberhimmel. Und alles sank in kalte Finsternis zurück.
    Christine und Claude waren aufs Geratewohl quer über das Bett gerollt. Es wurde ein irres Rasen, niemals hatten sie ein solches Hingerissensein kennengelernt, nicht einmal in den ersten Tagen ihres Zusammenlebens. Die ganze Vergangenheit stieg in ihrem Herzen wieder empor, aber alles erstand wieder so grell und scharf, daß eine irre Trunkenheit sie berauschte. Die Dunkelheit flammte rings um sie, sie entschwebten auf Flammenfittichen, hoch oben, außerhalb der Welt, mit großen, stetigen, regelmäßigen Flügelschlägen, immer höher.
    Er selber stieß Schreie aus, war fern von seinem Elend, vergaß, wurde wiedergeboren zu einem Leben der Glückseligkeit.
    Herausfordernd, herrisch trieb sie ihn dann mit einem Lachen sinnlichen Stolzes zu Lästerungen.
    »Sag, daß das Malen blöd ist.«
    »Das Malen ist blöd.«
    »Sag, daß du nicht mehr arbeiten wirst, daß du darauf pfeifst, daß du deine Bilder verbrennen wirst, um mir Freude zu machen.«
    »Ich werde meine Bilder verbrennen, ich werde nicht mehr arbeiten.«
    »Und sag, daß es nur noch mich gibt, daß es das einzige Glück ist, mich so zu halten, wie du mich hältst, daß du spuckst auf die andere, auf diese Hure, die du da gemalt hast. Spuck auf sie, spuck doch auf sie, daß ich es höre!«
    »Da, ich spuck auf sie, es gibt nur noch dich.«
    Und sie preßte ihn an sich, daß er keine Luft mehr bekam, sie, sie besaß ihn nun. Sie rasten wieder davon im Taumel ihres Rittes durch die Sterne. Immer wieder von neuem begann ihr Entzücken, dreimal war es ihnen, als flögen sie von der Erde bis zum Ende des Himmels. Was für eine Glückseligkeit! Wieso war er nicht auf den Gedanken gekommen, Heilung zu suchen in dieser sicheren Glückseligkeit? Und sie schenkte sich ihm noch, und er würde glücklich leben, würde gerettet werden, nun, da er diesen Rausch gehabt hatte.
    Der Tag begann zu dämmern, als Christine entzückt, vom Schlaf übermannt, in Claudes Armen einschlief. Sie hielt ihn mit einem Schenkel fest, hatte ein Bein quer über seine Beine geworfen, wie um sich zu vergewissern, daß er ihr nicht mehr entschlüpfte; und ihr Kopf war auf diese Männerbrust gerollt, die ein warmes Kissen für sie war, sie atmete leise, ein Lächeln auf den Lippen.
    Er hatte die Augen geschlossen; aber obwohl die Erschöpfung ihn schier zermalmte, schlug er die Augen wieder auf und starrte ins Dunkel. Der Schlaf floh ihn, wirre Gedanken stiegen in seiner Verstörtheit in dumpfem Ansturm wieder empor, je mehr er erkaltete und sich aus der wollüstigen Trunkenheit löste, die immer noch alle seine Muskeln durchzitterte. Als der frühe Morgen, ein schmutziges Gelb, ein flüssiger Schlammfleck an den Fensterscheiben, heraufzog, fuhr er zusammen, er glaubte gehört zu haben, wie eine laute Stimme ihn hinten aus dem Atelier rief. Seine Gedanken waren alle wiedergekommen, sie drangen auf ihn ein, quälten ihn, zehrten sein Gesicht aus, verkrampften seine Kinnladen in Ekel vor allem Menschlichen zu zwei bitteren Falten, die aus seinem Gesicht die verwüstete Fratze eines Greises machten. Nun wurde dieser Frauenschenkel, der über ihm lag, bleischwer; und er litt darunter, wie unter einer Marter, wie unter einem Mühlstein, mit dem man ihm die Knie zermalmte zur Strafe für ungesühnte Vergehen; und desgleichen ließ ihn der Kopf, der auf seinen Rippen lag, nicht atmen, brachte mit einer riesigen Last das Klopfen seines Herzens zum Stillstand. Aber er wollte sie lange nicht stören, obwohl er sich allmählich am ganzen Körper unbehaglich fühlte, so etwas wie unwiderstehlichen Widerwillen und Haß empfand, der ihn mit Empörung erfüllte. Der Geruch des aufgegangenen Haarknotens, dieser starke Haargeruch vor allem ärgerte ihn. Jäh rief ihn die laute Stimme hinten von der Treppe gebieterisch ein zweites Mal. Und er faßte einen Entschluß, es war aus, er würde zu sehr leiden, er konnte nicht mehr leben, da alles log und da es nichts Gutes mehr gab. Zunächst ließ er Christines Kopf, der sein unbestimmtes

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