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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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verheiraten.«
    Aber bei diesem Wort unterbrach sie ihn mit schallendem Lachen:
    »Mit einem ihrer alten Freunde, mit dem General, der ein silbernes Kinn hat … Ach, ein schöner Unsinn!«
    Beide ließen es bei dem kameradschaftlichen Verhältnis alter Bekannter bewenden. Er war in allen diesen Dingen fast ebenso unerfahren wie sie, weil er nur Mädchen gekannt hatte, die ihm der Zufall zuführte, und er über die Wirklichkeit in romantischen Liebesvorstellungen lebte. So erschien es ihnen, ihr ebenso wie ihm, ganz einfach und natürlich, sich solcherweise heimlich zu sehen, aus Freundschaft, ohne eine andere Galanterie als einen Händedruck beim Kommen und einen Händedruck beim Gehen. Er stellte sich nicht einmal mehr die Frage, was sie in ihrer Unwissenheit eines ehrbaren Fräuleins vom Leben und vom Manne wohl wissen mochte; und sie spürte, daß er schüchtern war, sie sah ihn mitunter starr an, mit einem Flackern der Augen, mit der erstaunten Verwirrung der Leidenschaft, die nichts von sich weiß. Aber noch verdarb keine brennende Glut, keine Erregung ihr Vergnügen an ihrem Zusammensein. Ihre Hände blieben kühl, sie sprachen fröhlich über alles, sie stritten sich gelegentlich als gute Freunde, die sicher waren, niemals aufeinander böse zu sein; Nur wurde diese Freundschaft so lebhaft, daß sie nicht mehr ohne einander leben konnten.
    Sobald Christine da war, zog Claude den Türschlüssel ab. Sie selber verlangte das: so würde niemand sie stören. Nach ein paar Besuchen hatte sie von dem Atelier Besitz ergriffen, sie schien darin zu Hause zu sein. Es quälte sie der Gedanke, sie müsse hier ein wenig Ordnung hineinbringen, denn ihre Nerven litten inmitten einer solchen Liederlichkeit; aber das war keine leichte Arbeit, der Maler hatte Frau Joseph das Ausfegen verboten, weil er fürchtete, der Staub würde sich auf seine noch nicht trockenen Gemälde setzen; und als seine Freundin die ersten Male eine bißchen sauber zu machen versuchte, schaute er ihr mit besorgtem und flehendem Blick nach. Wozu die Sachen wegrücken? Genügte es nicht, wenn man sie zur Hand hatte? Jedoch sie legte eine so heitere Beharrlichkeit an den Tag, sie schien so glücklich zu sein, Hausfrau zu spielen, daß er sie schließlich gewähren ließ. Nun krempelte sie, kaum daß sie angekommen war, die Handschuhe ausgezogen und den Rock hochgesteckt hatte, um ihn nicht schmutzig zu machen, alles um und räumte den großen Raum mit drei Handgriffen auf. Vor dem Ofen war kein Aschenhaufen, der sich angesammelt hatte, mehr zu sehen; der Wandschirm verbarg das Bett und den Waschtisch; der Diwan war abgebürstet, der Schrank blankgerieben, vom Fichtenholztisch das Geschirr abgeräumt und die Farbflecken entfernt; und über den in schöner Symmetrie hingestellten Stühlen und den an die Wände gelehnten wackeligen Staffeleien schien die riesige, mit ihren karminroten Blüten prangende Kuckucksuhr klangvoller zu ticken. Es war großartig, man hätte das Zimmer nicht wiedererkannt. Verdutzt schaute er ihr zu, wie sie singend hin und her ging und herumwirtschaftete. War das die Faulenzerin, die bei der geringsten Arbeit unerträgliches Kopfweh bekam?
    Aber sie lachte: bei der Kopfarbeit, ja, wohingegen ihr die Arbeit der Füße und der Hände guttat, sie wieder aufrichtete wie einen jungen Baum. Wie ein Laster gestand sie ihren Hang zu den niederen Verrichtungen des Haushalts ein, diesen Hang, der ihre Mutter zur Verzweiflung brachte, deren Erziehungsideal die Kunst des Anmutigseins war, die Erzieherin mit den feinen Händen, die nichts anfaßten. Deshalb die Vorhaltungen, wenn man sie als ganz kleines Mädchen dabei überraschte, wie sie voller Wonne ausfegte, aufwischte und Köchin spielte! Noch heute würde sie sich bei Frau Vanzade weniger gelangweilt haben, wenn sie gegen den Staub hätte ankämpfen können. Bloß, was hätte man gesagt? Auf einmal wäre sie am liebsten keine Dame mehr gewesen. Und sie kam zum Quai de Bourbon, um dort Befriedigung zu finden, ganz außer Atem von so viel Betätigung, mit Augen wie eine Sünderin, die in die verbotene Frucht beißt.
    Claude spürte jetzt rings um sich das gute Schalten und Walten einer Frau. Um sie zu bewegen, sich ein wenig zu setzen und ruhig zu plaudern, bat er sie mitunter, eine abgerissene Manschette, einen zerrissenen Rockschoß zu nähen. Von selbst hatte sie sich gern erboten, seine Wäsche durchzusehen. Aber als Hausfrau, die sich gern regt, war sie dafür nicht so sehr Feuer und

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