Das Werk - 14
hatte, kaum treten konnte. Und als es damit zu schlimm wurde, wußte sie nichts anderes zu tun, als sich in die Arme ihres Liebsten zu werfen: da war ihre Zuflucht, an der Brust des Mannes, den sie liebte, der einzige Born des Vergessens und des Glücks. Sie war nur liebendes Weib, zwanzigmal hätte sie den Sohn für den Gatten hingegeben. Nachdem sie die Entbindung hinter sich hatte, war sogar eine neue Glut über sie gekommen, die Säfte stiegen wieder in ihr wie in einer Verliebten, deren Gestalt wieder frei, deren Schönheit wieder erblüht ist. Niemals hatte sich ihr leidenschaftlicher Schoß in solch bebendem Begehren dargeboten.
Das war jedoch die Zeit, in der Claude wieder ein wenig zu malen anfing. Der Winter ging zu Ende, Claude wußte nicht, was er an den heiteren, sonnigen Vormittagen anstellen sollte, seit Christine wegen Jacques, diesem Schlingel, dem sie den Namen des Großvaters mütterlicherseits gegeben hatten, ohne ihn übrigens taufen zu lassen, nicht mehr vor Mittag aus dem Hause konnte. Er arbeitete im Garten, fertigte zunächst zum Zeitvertreib eine flüchtige Skizze von der Aprikosenallee an, skizzierte die riesigen Rosenstöcke, stellte Stilleben zusammen: vier Äpfel, eine Flasche und ein Steintopf auf einem Tischtuch. Das tat er, um sich zu zerstreuen. Dann geriet er in Hitze; die Idee, eine bekleidete Figur in praller Sonne zu malen, ließ ihn nicht mehr los; und von diesem Augenblick an wurde seine Frau sein Opfer, übrigens ein willfähriges Opfer, das glücklich war, ihm ein Vergnügen zu bereiten, ohne noch zu ahnen, welch schreckliche Nebenbuhlerin sie sich schuf. Er malte sie zwanzigmal, weiß gekleidet, rot gekleidet, inmitten von Grün, stehend oder gehend, halb hingestreckt im Gras, mit einem Bauernhut auf dem Kopf, barhäuptig unter einem Sonnenschirm, dessen kirschfarbene Seide ihr Gesicht in rosigem Licht badete. Niemals war er voll befriedigt, er schabte die Leinwand nach zwei oder drei Sitzungen wieder ab, begann sofort wieder von neuem und versteifte sich starrköpfig auf den gleichen Vorwurf. Ein paar Studien, die zwar unvollständig, aber in ihrer kraftvollen Faktur von einer bezaubernden Stimmung waren, wurden vor dem Palettenmesser gerettet und an den Wänden des Wohnzimmers aufgehängt.
Und nach Christine mußte Jacques als Modell herhalten. Man zog ihn splitternackt aus, legte ihn an warmen Tagen auf eine Decke; und er durfte sich nicht rühren. Aber das war wie verhext: durch die Sonne belustigt und gekitzelt, lachte und strampelte er, streckte seine rosigen Füßchen hoch in die Luft, kugelte sich, schoß Purzelbäume und reckte dabei den Hintern in die Höhe. Nachdem der Vater erst gelacht hatte, wurde er dann böse, schimpfte auf diesen verdammten Knirps, der nicht eine Minute ernst sein konnte. Trieb man denn seinen Spaß mit der Malerei? Da standen der Mutter die Tränen in den Augen, sie hielt den Kleinen fest, damit der Maler flugs die Umrisse eines Ärmchens oder eines Beinchens erhaschen konnte. Wochenlang versteifte sich Claude darauf, so sehr hatten es ihm die hübschen Farbtöne und dieses kindliche Fleisch angetan. Er schaute ihn mit seinen Künstleraugen unverwandt an, wie das Motiv eines Meisterwerkes, blinzelte dabei und erträumte schon das Bild. Und er versuchte es von neuem, er belauerte ihn ganze Tag lang, war aufgebracht, weil dieser Bengel zu den Stunden, da man ihn hätte malen können, nicht einmal schlafen wollte.
Als Jacques eines Tages schluchzte und sich weigerte, in der gewünschten Pose stillzuhalten, sagte Christine sanft:
»Lieber, das strengt ihn zu sehr an, unsern armen Liebling.«
Da brauste Claude auf, weil er Gewissensbisse bekam:
»Klar! Das stimmt, ich bin ja blöde mit meinem Malen! – Die Kinder taugen nicht zu so was.«
Der Frühling und der Sommer verstrichen noch in einer großen Sanftmut. Sie gingen weniger fort, um das Boot kümmerten sie sich überhaupt nicht mehr, es verfaulte vollends an der Uferböschung, denn es machte viele Umstände, den Kleinen mit auf die Insel zu nehmen. Aber häufig gingen sie langsamen Schrittes an der Seine entlang, ohne sich jemals mehr als einen Kilometer vom Haus zu entfernen. Der ewigen Gartenmotive müde, versuchte er es nun mit Studien am Rande des Wassers; und an diesen Tagen holte sie ihn mit dem Kinde ab, setzte sich hin, um ihm beim Malen zuzuschauen, bis sie alle drei schläfrig heimgingen unter der feinen Asche der Abenddämmerung. Eines Nachmittags war er überrascht, als
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