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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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erst im dritten Monat. Zunächst waren sie beide bestürzt darüber; niemals hatten sie auch nur im Traum daran gedacht, daß das eintreten könnte. Dann bemühten sie sich, vernünftig zu sein, empfanden jedoch keine Freude; er war verwirrt über dieses kleine Wesen, das sein Dasein komplizierter gestalten würde, sie war von einer Bangigkeit ergriffen, die sie sich nicht erklären konnte, als fürchte sie, daß dieser unglücklicher Zufall das Ende ihrer Liebe sei. Sie weinte lange an seinem Hals, er suchte sie vergeblich zu trösten, die Kehle war ihm wie zugeschnürt von der gleichen namenlosen Traurigkeit. Später, als sie sich daran gewöhnt hatten, dachten sie voller Rührung an das arme Kleine, das sie ungewollt an dem tragischen Tage gezeugt hatten, da sie sich ihm unter Tränen in der todtraurigen Abenddämmerung, die das Atelier ertränkte, hingegeben hatte: die Daten standen fest, das würde das Kind des Leidens und des Erbarmens werden, dem schon bei seiner Empfängnis das dumme Lachen der Menge ins Gesicht geschlagen hatte. Und da sie nicht bösartig waren, stellten sie sich darauf ein, wünschten es sich sogar, befaßten sich bereits mit ihm und bereiteten alles für seine Ankunft vor.
    Der Winter hatte furchtbare Kälte gebracht. Christine wurde von einem heftigen Schnupfen im Hause zurückgehalten, dessen Fenster und Türen nicht gut schlossen und das sich nur schlecht heizen ließ. Ihre Schwangerschaft verursachte ihr häufiges Unwohlsein, sie blieb vor dem Kaminfeuer hocken, sie mußte erst böse werden, damit Claude ohne sie aus dem Hause ging und lange Wanderungen über die gefrorene hallende Erde der Landstraßen machte. Und er wunderte sich auf diesen Spaziergängen, bei denen er nach Monaten ständigen Daseins zu zweit wieder mit sich allein war, über die Wendung, die sein Leben genommen hatte, ohne daß dies in seinem Willen gelegen hätte. Niemals hatte er dieses Eheleben gewollt, nicht einmal mit ihr; und er hätte sich davor gegraut, wenn man ihm dazu geraten hätte; und es war trotzdem geschehen, und es war nicht mehr rückgängig zu machen; denn ganz abgesehen von dem Kind, gehörte er zu jenen Menschen, die nicht den Mut zu einem Bruch aufbringen. Offenbar war es ihm so beschieden, er mußte bei der ersten bleiben, die sich seiner nicht schämen würde. Die harte Erde hallte unter seinen derben Schuhen, der eisige Wind ließ seine Träumerei erstarren, die lange bei verschwommenen Gedanken verweilt hatte, bei dem Glück, das er doch zumindest damit gehabt hatte, daß er an ein ehrbares Mädchen geraten war, bei allem, was er an Grausamem und Schmutzigem erlitten, wenn er sich mit einem Modell eingelassen hätte, das es müde war, sich in den Ateliers herumzusielen; und er wurde wieder von zärtlicher Liebe erfaßt, er beeilte sich, heimzukehren, um Christine mit seinen beiden zitternden Armen an sich zu pressen, als habe er sie beinahe verloren, und war nur entgeistert, wenn sie einen Schmerzensschrei ausstieß und sich losmachte:
    »Oh! Nicht so toll! Du tust mir ja weh!«
    Sie führte die Hände an ihren Bauch, und er betrachtete diesen Bauch immer mit derselben bangen Verwunderung. Die Entbindung fand gegen Mitte Februar statt. Eine Hebamme war aus Vernon gekommen, alles verlief sehr gut: die Mutter war nach drei Wochen wieder auf den Beinen, das Kind, ein sehr kräftiger Junge, war so gierig, daß sie bis zu fünfmal in der Nacht aufstehen mußte, damit er nicht schrie und seinen Vater weckte. Von nun an versetzte das kleine Wesen das ganze Haus in Aufruhr, denn so rührig Christine als Hausfrau auch war, in der Wartung eines Säuglings erwies sie sich als sehr ungeschickt. Trotz ihres gutes Herzens und ihrer Verzweiflung beim kleinsten Wehwehchen fehlte es ihr an Mütterlichkeit; sie ermüdete rasch, verlor sofort den Mut, rief Mélie, die in ihrer Blödheit Mund und Nase aufsperrte und die Ratlosigkeit noch schlimmer machte; und der Vater mußte herbeieilen, um ihr zu helfen, obwohl er noch verlegener war als die beiden Frauen. Daß ihr früher beim Nähen schlecht wurde, daß sie sich nicht für die Arbeiten des weiblichen Geschlechts eignete, kam jetzt bei der Wartung, die das Kind erheischte, wieder zum Vorschein. Es wurde ziemlich vernachlässigt, es krabbelte auf gut Glück durch den Garten und durch die vor Verzweiflung in Unordnung gelassenen Räume, in denen man vor Windeln, zerbrochenem Spielzeug, Unrat und allem, was ein kleiner Herr, der Zähne bekommt, kaputt gemacht

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