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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Besitz zu ergreifen.
    Claude war immer wieder überrascht, wenn er sah, wie sie beim geringsten groben Wort, das ihm entschlüpfte, errötete. Hatte sie die Röcke wieder festgebunden, lächelte sie verlegen und wandte bei gewissen Anspielungen den Kopf ab. Sie mochte das nicht. Und deswegen kam es eines Tages fast zu einer Verstimmung zwischen ihnen.
    Es war in dem kleinen Eichengehölz hinter ihrem Hause, wo sie mitunter hingingen, um die Erinnerung an die Umarmung wieder aufzufrischen, mit der sie dort bei ihrem ersten Besuch in Bennecourt einander umfangen hatten. Claude, den die Neugier plagte, fragte sie über ihr Klosterleben aus. Er hatte sie um die Hüfte gefaßt, kitzelte sie mit seinem Atem hinter dem Ohr und suchte sie zum Beichten zu bewegen. Was hatte sie dort vom Mann gewußt? Was hatte sie mit ihren Freundinnen darüber geredet? Was für eine Vorstellung hatte sie sich davon gemacht?
    »Nun mach doch, mein Mäuschen, erzähl mir ein bißchen … Hast du’s geahnt?«
    Aber sie ließ ihr ungehaltenes Lachen hören, sie versuchte, sich von ihm loszumachen.
    »Bist du albern! Laß mich doch! – Was hast du denn davon?«
    »Es macht mir Spaß … Du wußtest also Bescheid?«
    Die Wangen von Rot überflutet, verriet sie mit einer Gebärde ihre Verwirrung.
    »Mein Gott! Soviel wie die anderen, so manches …« Das Gesicht an seiner Schulter verbergend, fügte sie hinzu: »Man ist trotzdem recht verwundert.«
    Er brach in Lachen aus, drückte sie wie irre, bedeckte sie mit einem Regen von Küssen. Aber wenn er glaubte, sie solcherweise gewonnen zu haben, und er von ihr vertrauliche Geständnisse erhalten wollte, wie von einem Kumpel, der nichts zu verbergen hat, entschlüpfte sie in ausweichende Redensarten, sie schmollte schließlich, war stumm, unzugänglich. Und niemals gab sie mehr davon zu, selbst ihm gegenüber nicht, den sie anbetete. Da war das Verborgenste, das die Freimütigsten für sich behalten, dieses Erwachen ihres Geschlechts, daran die Erinnerung begraben bleibt und gleichsam geheiligt ist. Sie war ganz und gar Frau, sie behielt das alles für sich, während sie sich ganz hingab.
    Zum ersten Mal fühlte Claude an diesem Tage, daß sie einander fremd blieben. Er spürte etwas Eisiges, die Kälte eines anderen Leibes hatte ihn gepackt. Konnte denn nichts von dem einen in den anderen eindringen, wenn sie schier erstickten zwischen ihren Armen, die sich nicht zu lassen wußten, die gierig danach waren, immer mehr zu umschlingen, sogar das, was jenseits des Besitzens lag?
    Die Tage verstrichen indessen, und sie litten überhaupt nicht unter der Einsamkeit. Noch hatte keinerlei Bedürfnis, sich Zerstreuung zu verschaffen, Besuche zu machen oder zu empfangen, sie Zeit mit anderen verbringen lassen. Die Stunden, die Christine nicht in seiner Nähe, in seiner Umarmung verlebte, verwendete sie als Hausfrau dazu, lärmend das Haus auf den Kopf zu stellen beim Großreinemachen, das Mélie unter ihrer Aufsicht besorgen mußte und bei dem sie selber ein solches Gelüst nach Betätigung überkam, daß sie sich mit den drei Kasserollen in der Küche herumschlug. Aber der Garten beschäftigte sie besonders: mit einer Baumschere bewaffnet, holte sie mit ihren von den Dornen zerrissenen Händen ganze Rosenernten von den riesigen Rosenstücken herunter; sie hatte sich einen Muskelkater geholt, weil sie die Aprikosen hatte selber pflücken wollen, die sie für zweihundert Francs an die Engländer verkauft hatte, die jedes Jahr das Land durchstreiften; und sie bildete sich ungemein viel darauf ein, sie träumte davon, von den Erzeugnissen des Gartens zu leben. Er war weniger auf die Gartenbestellung versessen. Er hatte seinen Diwan in den großen, in ein Atelier verwandelten Raum gestellt, er streckte sich darauf aus, um ihr durch das weit offene Fenster beim Säen und Pflanzen zuzuschauen. Es herrschte vollkommener Friede, die Gewißheit, daß niemand kommen würde, daß kein Anschlagen der Haustürklingel sie in irgendeinem Augenblick des Tages stören würde. Er trieb diese Angst vor der Außenwelt so weit, daß er vermied, an Faucheurs Gasthaus vorbeizugehen, weil er ständig fürchtete, dort auf eine Schar von Kumpels zu stoßen, die aus Paris gekommen waren. Den ganzen Sommer über zeigte sich nicht eine Menschenseele. Jeden Abend, wenn er nach oben ging, um sich ins Bett zu legen, wiederholte er, daß das doch immerhin ein tolles Glück sei.
    Eine einzige geheime Wunde blutete auf dem Grunde dieser

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