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Das Werk - 14

Das Werk - 14

Titel: Das Werk - 14 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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glänzenden Seide seines Hutes und dem schwarzen Fleck seines Überziehers.
    Claude ging langsam nach Hause, das Herz von grundloser Traurigkeit erfüllt. Er erzählte seiner Frau nichts von dieser Begegnung.
    Als Christine acht Tage später zu Faucheurs gegangen war, um ein Pfund Fadennudeln zu kaufen, sich bei der Rückkehr verspätete und, ihr Kind auf dem Arm, noch mit einer Nachbarin plauderte, trat ein Herr, der aus der Fähre stieg, auf sie zu und fragte:
    »Herr Claude Lantier? Der wohnt doch hier, nicht wahr?«
    Sie war erschrocken und antwortete lediglich:
    »Ja, mein Herr. Wenn Sie mir bitte folgen wollen …«
    Hundert Meter gingen sie nebeneinander her. Der Fremde, der sie zu kennen schien, hatte sie mit einem gütigen Lächeln angesehen; aber da sie ihren Schritt beschleunigte und ihre Verwirrung unter einer ernsten Miene verbarg, schwieg er.
    Sie öffnete die Tür, sie führte ihn ins Wohnzimmer und sagte:
    »Claude, Besuch für dich!«
    Ein Freudenschrei ertönte, und schon lagen sich die beiden Männer in den Armen.
    »Ach, mein alter Pierre, wie nett von dir, daß du gekommen bist! – Und Dubuche?«
    »Im letzten Augenblick hat ihn ein Geschäft zurückgehalten, und er hat mir eine Depesche geschickt, daß ich ohne ihn fahren soll.«
    »Gut! Darauf war ich einigermaßen gefaßt … Aber du bist ja da. Ach, Himmeldonnerwetter, wie freue ich mich!« Und zu Christine gewandt, die, von dieser Freude angesteckt, lächelte, sagte er: »Ach richtig, ich habe es dir nicht erzählt. Ich habe neulich Dubuche getroffen, der da oben zu dem Besitztum von diesen Scheusalen ging …« Aber er unterbrach sich abermals, um mit einer irren Gebärde zu schreien: »Ich bin völlig durcheinander! Ihr habt euch noch niemals gesprochen, und ich lasse euch da so stehen … Mein Liebling, dieser Herr hier, das ist mein alter Kumpel Pierre Sandoz, den ich wie einen Bruder liebe … Und dir, mein alter Kumpel Pierre Sandoz, stelle ich hiermit meine Frau vor. Und jetzt gebt euch beide einen Kuß!«
    Christine lachte freiheraus, und sie hielt bereitwillig ihre Wange hin. Sandoz hatte ihr sofort gefallen mit seiner Biederkeit, seiner verläßlichen Freundschaft, der väterlich sympathischen Miene, mit der er sie anschaute. Vor Rührung wurden ihre Augen feucht, als er ihre Hände in den seinen behielt und sagte:
    »Es ist sehr nett von Ihnen, daß Sie Claude liebhaben, und er muß Sie auch immer liebhaben, denn das ist das Beste, was es gibt.« Sich zu dem Kleinen, den sie auf dem Arm hielt, herüberneigend, um ihn zu küssen, fügte er hinzu: »Na, da ist wohl schon ein Sprößling?«
    Der Maler machte eine unbestimmte entschuldigende Gebärde.
    »Was soll man da machen, so was sprießt, ohne daß man daran denkt!«
    Claude behielt Sandoz im Wohnzimmer, während Christine das Haus wegen des Mittagessens in Aufruhr versetzte. Mit ein paar Worten erzählte er ihm ihre Geschichte, wer sie war, wie er sie kennengelernt hatte, welche Umstände sie beide bewogen hatten, einen Haustand zu gründen; und er schien sich zu wundern, als sein Freund wissen wollte, warum er sie nicht heiratete. Mein Gott! Warum denn? Weil sie nicht einmal darüber gesprochen hatten, weil sie keinen Wert darauf zu legen schien; und weil sie beide deswegen bestimmt nicht mehr und nicht weniger glücklich sein würden. Schließlich war das etwas Belangloses.
    »Gut!« sagte der andere. »Ich finde nichts weiter dabei … Sie war unberührt, du solltest sie heiraten.«
    »Aber natürlich, wenn sie will, Alter! Klar, daß ich nicht daran denke, sie mit einem Kind sitzenzulassen.«
    Dann bewunderte Sandoz die an den Wänden hängenden Studien. Ach, der Teufelskerl hatte seine Zeit hübsch verwendet! Was für eine Genauigkeit im Farbton, was für eine echte pralle Sonne!
    Und Claude, der ihm entzückt mit stolzem Lachen zuhörte, fragte ihn aus über die Kumpel, über das, was sie alle machten; da kam Christine wieder herein und rief:
    »Kommt schnell, die Eier sind aufgetragen.«
    Man nahm das Mittagessen in der Küche ein, ein außerordentliches Mittagessen, nach den weichgesottenen Eiern gebratenen Gründling, dann das gekochte Rindfleisch vom Vortag mit Kartoffeln und einem sauren Hering als Salat angerichtet. Das war köstlich, der kräftige und appetitliche Duft des Herings, den Mélie auf die Kohlenglut hatte fallen lassen, das Summen des Kaffees, der Tropfen um Tropfen auf der Herdecke durch den Filter rann. Und als der Nachtisch erschien – soeben erst

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