Das Werk der Teufelin
ich.«
Nachdenklich betrachtete Almut den Novizen und überlegte sich, ob sie ihm von dem eigentlichen Datum der Verletzung berichten sollte. Aber da sie selbst noch nicht ganz die Möglichkeit ausschließen konnte, dass Johanna schuldig war, schwieg sie darüber. Ewald würde noch ein paar Tage unglücklich vor sich hin brüten müssen. Sie schlug die goldene Statue behutsam in das weiche Tuch ein, und kurz darauf klopfte auch schon Rigmundis an die Tür der Apotheke. Sie drängte darauf, sich so schnell wie möglich auf den Heimweg zu machen, denn der unberechenbare Herbstwind hatte ein paar bedrohliche Wolkenberge im Rheintal zusammengetrieben, die ihre feuchte Last loswerden wollten.
Sie beeilten sich so gut es ging, und wenn auch Almuts Schwäche nicht mehr so groß war, hinderte sie doch Rigmundis’ Fuß am zügigen Ausschreiten. So gerieten sie denn noch kurz vor dem Ziel in einen wolkenbruchartigen Regen, der sie bis auf die Haut durchnässte.
Tropfend und zähneklappernd lief Almut in ihre Kammer, um sich die nassen Kleider auszuziehen, und war erstaunt, Johanna, die mit Griffel und Tafel beschäftigt war, Buchstaben zu üben, in der unteren Stube vorzufinden.
»Ich habe auf dich gewartet, Almut. Ich muss unbedingt mit dir sprechen.«
»Schon gut, nur erst muss ich mich abtrocknen.«
»Ja, natürlich! Soll ich dir helfen?«
Ein bisschen überrascht sah Almut sie an, aber dann fielen ihr die Dienste der Bademägde ein, und sie musste lächeln. Johanna dachte sich nichts dabei, und wenn sie es recht betrachtete, würde ihr die Hilfe bei ihren nassen Haaren ganz angenehm sein. Darum nickte sie, und Johanna folgte ihr in ihre Kammer. In einem trockenen Hemd saß sie bald darauf auf einem Schemel und ließ sich die feuchten Flechten ausbürsten. Sie schwiegen beide, und nur einmal drehte sich Johanna um und fragte zur offenen Tür hinaus: »Was ist, Angelika? Noch nie gesehen, wie jemandem die Haare gekämmt werden?«
Das Klappen von Angelikas Kammertür verriet Almut, dass das Mädchen sich beleidigt zurückgezogen hatte.
»Neugierige kleine Ratte!«, bemerkte Johanna und machte ihrerseits die Tür ebenfalls zu.
»Sie hat sich schon ein reichliches Maß an tierischen Titeln zugelegt. Ratte hat sie aber bisher noch niemand genannt. Wie kommst du darauf?«
»Ich weiß nicht, ich finde sie verschlagen. Aber wahrscheinlich ist sie nur dumm. Und damit wäre sie keine Ratte, da hast du Recht. Ist aber auch egal, meine Freundin muss sie nicht werden. Almut, wegen vorgestern…«
»Ja, Johanna?«
»Ich meine – denkst du, ich habe den Apfelwein vergiftet?«
»Du hättest die Möglichkeit gehabt, oder nicht?«
»Mh, ja. Aber ich schwöre dir beim Namen der heiligen Jungfrau, ich war es nicht. Ehrlich.«
»Ich habe dir ein paar peinliche Fragen gestellt, nicht wahr?«
»Ja, aber – na ja, was würde ich damit ändern, wenn ich dich vergifte?«
»Ich weiß nicht, Johanna. Es gibt noch zwei andere, die es hätten tun können. Sie haben beide genauso wenig – oder genauso viel – Grund dazu.«
»Das wirst du besser wissen als ich. Mir geht es darum… Bevor dir so übel wurde, hast du mich nach dem Barbiermesser gefragt. Warum eigentlich?«
»Weil es doch möglich wäre, dass du dich an dem Domherren damit gerächt hast.«
»Ich? Im Badehaus? Vor allen Leuten?«
Almut nickte, und prompt wurde ihr fest an den Haaren gezogen.
»Entschuldige, aber du musst den Kopf ruhig halten.«
»Du hattest aber Rachegedanken?«
»Die hättest du auch gehabt, Almut!«
Und Almut, die sich an einige höchst demütigende Erfahrungen in ihrer Ehe erinnerte, hatte Mühe, ein wiederholtes Nicken zu unterdrücken.
»Es ist sowieso nicht mit dem Barbiermesser geschehen, sondern mit seinem eigenen Dolch!«
»Was?«, entfuhr es Johanna, und Almut berichtete ihr, was sie bisher herausgefunden hatte.
»Und darum wird Magda jetzt unter Folter verhört, Johanna. Also bitte berichte mir alles, wirklich alles, was du weißt.«
Erschüttert hatte sich die Bademagd auf Almuts Bettkante niedergelassen und rang die Hände.
»Das ist alles meine Schuld. Ich hätte nie zu euch kommen dürfen. Oh, Almut, das tut mir so Leid. Was kann ich tun? Soll ich die Stadt verlassen?«
»Damit hetzt du nur den Vogt und seine Büttel auf dich. Die warten doch nur darauf, dass sich eine von uns als die Teufelin entpuppt. Erzähl mir alles, an das du dich im Zusammenhang mit dem Domherrn erinnerst. Auch Dinge, die dir unwichtig erscheinen.
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