Das Werk der Teufelin
Ich will sehen, was man daraus machen kann.«
Johanna nahm wieder die Bürste in die Hand und berichtete. Almut war froh, ihr Gesicht abgewandt halten zu können, denn die Einzelheiten der Begegnungen im Badehaus, die da mit unbeteiligter Stimme vorgetragen wurden, ließen sie abwechselnd blass und rot und den nachträglichen Wunsch, den Domherrn ebenfalls mit einem schartigen Messer zu kastrieren, wahrhaft brennend werden. Aber zu der Sache trug die Schilderung nichts bei. Bis auf Johannas letzte Bemerkung.
»Ich weiß nicht, ob dir das alles weiterhilft, Almut. Aber es mag außer mir noch andere geben, die den Domherrn zu jeder Schlechtigkeit fähig halten. Ihr glaubt alle, der Wevers hat ihn umgebracht. Aber wessen Dolch war das, der dort lag? Das habt ihr noch nicht herausgefunden, oder? Was wäre denn, wenn er dem Domherrn gehörte?«
Almut drehte sich verdutzt um.
»Den haben doch schon viele gesehen, das hätte jemand… Sein Bruder, der Ritter oder sein Diener… mh.«
»War nur so eine Idee. So, jetzt sind deine Haare schön glatt und beinahe trocken. Weißt du eigentlich, wie wundervoll sie aussehen? Wie glatt poliertes Holz oder reife Kastanien.«
Ein Anflug von sündiger Eitelkeit verführte Almut dazu, an diesem Abend die Haare unbedeckt und offen hängen zu lassen wie ein junges Mädchen. Und Pitter, der Päckelchesträger, der kurz vor der Komplet noch an das Tor pochte, um ihr eine Nachricht von Aziza zu überbringen, musste mehrmals trocken schlucken, bevor er seine Botschaft abliefern konnte.
Das sorgfältig gefaltete und versiegelte Pergament enthielt nur wenige Sätze, die in einer zierlichen, sehr kunstvollen Schrift niedergelegt worden waren. Frau Nasreen, Azizas Mutter, teilte ihr mit, Johanna, die Bademagd, sei am Tag des heiligen Cyriacus, dem zweiten Sonntag im August, krank und schwach bei ihr eingetroffen und habe zwei Wochen lang strikt das Bett gehütet. Danach habe sie sich ausschließlich im Haus und später in den Gärten aufgehalten und zu keiner Zeit das Anwesen verlassen. Während dieser Zeit sei in ihr der Wunsch gereift, das Leben einer Begine zu führen. An Matthäi sei sie dann in Begleitung einer Magd nach Köln aufgebrochen, um bei den würdigen Damen am Eigelstein um Aufnahme zu bitten.
27. Kapitel
Alma Redemptoris Mater, quae pervia caeli, Porta manes, et stella maris… Erhabene Mutter des Erlösers, du allzeit offene Pforte des Himmels und Stern des Meeres…«
Almut kniete vor dem Tischchen, auf dem die schimmernde Marienstatue stand und im Abendrot wie lebendig leuchtete. Tief ergriffen sprach sie ihre Gebete, viel länger als sonst hielt sie sich an die vorgegebenen Worte, und jedes einzelne kam ihr von Herzen. Aber dann fingen ihre Gedanken doch wieder an zu wandern, und Maria musste ihr Ohr den seltsamsten Überlegungen leihen.
»O gebenedeite Jungfrau, ich glaube, ich kann jetzt darauf vertrauen, dass unsere Johanna nicht die Teufelin ist, die der Domherr gemeint hat. Wie gut, dass Aziza die Nachricht von ihrer Mutter erhalten hat. Eine Reise über viele Meilen hätte sie überhaupt nicht machen können. Ich bin erleichtert, Maria, denn sie ist ein gradliniges und aufrechtes Mädchen. So hilfsbereit und fleißig. Sie steht mit beiden Füßen fest auf dem Boden, und wenn sie und Ewald denn wieder zusammenfinden, werden sie sich hervorragend ergänzen. Er braucht jemanden, der ihn immer mal wieder sanft aus seinen Träumen von Vollkommenheit auf den Boden der Tatsachen bringt. Gütige Mutter, Beschützerin der Liebenden, ich empfehle die beiden deiner milden Führung an. Du wirst sicher Wege wissen, wie ihre Herzen zusammenfinden können.«
Vertrauensvoll betrachtete Almut das leuchtende Antlitz und fand das Lächeln darin ermunternd. Einen Moment lang erfreute sie sich bei dem Gedanken an die erfüllte Liebe, die daraus erwachsen würde und die sie selbst bislang nur in ihren Träumen kennen gelernt hatte. Dann aber verdüsterten sich ihre Augen, und sie sprach ihren nächsten Gedanken aus.
»Aber, barmherzige Mutter, das würde bedeuten, dass entweder Angelika oder Thea die Schuldigen sind. Und wahrhaftig, dem kleinen Schafskopf traue ich eine solche Tat nicht zu. Sie ist einfach zu dumm und zu ungeschickt. Und welchen Grund sollte sie gehabt haben?«
Die Sonne war untergegangen, und blutrot säumten ihre letzten Strahlen die dunklen Wolken am Horizont. Ein kühler Windstoß fuhr in die Kammer und jagte Almut einen Schauder über die Arme.
»Oder
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