Das Werk der Teufelin
raunzte sein Herr und Meister ihn an.
»Venus in Aries!«, kreischte der Vogel stattdessen und hing ein triumphierendes »Saturnus in Aries!« daran.
Krudener sah verärgert aus und zischte den Vogel heftig an. Der flatterte empört mit den Flügeln, ließ ein paar grüne Federchen auf Ewalds rote Haare schweben und hüpfte dann verdrossen auf seine Stange am Fenster, wo er mit blitzenden schwarzen Augen nach der grauen Katze schielte, die sich dort sonnte.
»Was meint der Vogel denn mit seinem Gekrächze? Was ist Venus in Aries?«
»Oh – ach, ich habe angefangen, ein paar Horoskope zu erstellen, Frau Almut, und er plappert alles nach, was man so vor sich hin murmelt!«, meinte Krudener und wandte verlegen den Kopf ab. Trine hingegen hatte ein verschmitztes Lächeln auf den Lippen und schubste Almut sacht in einen Sessel am Tischende. Mit einigen ihrer hurtigen Fingerbewegungen fragte sie nach ihrem Anliegen, und Almut bat um das Rezept des Melissengeistes. Trine deutete auf Ewald und gab zu verstehen, dass er es ihr aufschreiben würde.
»Was will dieses Mädchen schon wieder von mir?«
»Dass Ihr mir eine Rezeptur aufschreibt, Ewald. Ich hoffe, Ihr findet trotz Eurer vielfältigen Verpflichtungen Zeit.«
»Der Junge ist nicht über Gebühr belastet, Frau Almut, er wird selbstverständlich aufschreiben, was Trine ihm vorgibt. Er hat ja auch Zeit gefunden, ein recht beachtliches Traktat über Intelligentia und Daemonium zu verfassen, das auf den Gedanken des großen Albertus und dem Thomas von Aquin aufbaut. Wäre interessant zu erfahren, was Ivo davon hält«, brummte er vor sich hin, dann besann er sich aber wieder und lächelte Almut zu: »Und nun schaut, was Rebbe Goldfarb für Euch getan hat!«
In ein weiches Tuch gebunden, stellte Krudener etwas vor sie hin, und sie wickelte es vorsichtig aus. Dann hielt sie vor Staunen den Atem an. Ihre kleine Marienstatue war nicht nur wieder vollständig und heil, nein, sie erglänzte auch in schimmerndem Gold, und ihr Gesicht strahlte eine warme Lieblichkeit aus, die sie beinahe zu Tränen rührte.
»Wie – o himmlische Maria – wie hat der Rebbe Goldfarb das nur fertig gebracht?«
»Nomen est omen!«, krächzte der Papagei, und Krudener gab sein keckerndes Lachen dazu ab.
»Wie wahr. Der Vogel hat es auf den Punkt gebracht. Goldfarb kennt die Geheimnisse der Metalle und der Alchimie, und wahrscheinlich glaubt Ihr nun, eine echte, goldene Figur vor Euch stehen zu haben, was, Frau Almut?«
Sie lächelte ihn an und schüttelte den Kopf.
»Nein, nein, Meister Krudener. Wäre das so, dann würde der gute Rebbe nicht im Judenviertel wohnen, sondern am Hofe des Kaisers seine Kunst wirken.« Sie fuhr mit der Fingerspitze über das kühle Metall und kratzte ein wenig daran, doch die Goldschicht blieb erhalten. »Aber es ist vollendet aufgetragen. Nicht so, wie es bei den Büchern geschieht, mit Blattgold und Leim.«
»Was für ein Tanz um das goldene Kalb«, murrte Ewald halblaut und spitzte seine Feder neu an.
»Euer Schreiberling hat seine gute Laune offensichtlich noch nicht wieder gefunden, Meister Krudener?«
»Nein, und ich muss zugeben, es ist ziemlich lästig mit ihm. Er hält sich streng an die Gebetsstunden und die Fastenvorschriften, beinahe so, als ob er schon wieder im Kloster wäre.«
»Ich werde auch zurückkehren, Meister Krudener. Nichts kann mich daran hindern.«
»Auch nicht die Tatsache, dass Johanna ganz gewiss den Mord an dem Domherren nicht begangen hat?«
»Sie bleibt dennoch eine Hure, daran ändert sich nichts!«
»Hatte das zuvor eine Rolle für Euch gespielt, Ewald? Ihr wusstet das schon, als Ihr Euch in der Badestube kennen gelernt habt. Und ich nehme mal an, Eure gemeinsame Zeit habt Ihr nicht nur höflich plaudernd miteinander verbracht, oder?«
Hochrote Ohren waren das Einzige, was man von dem jungen Mann zu sehen bekam, der sich mit tief gesenktem Kopf aufmerksam seiner Federspitze widmete.
»Seit Johanna bei uns ist, haben wir sie alle sehr zu schätzen gelernt, Ewald. Wir müssen nur eine Kleinigkeit herausfinden, dann ist sie auch von dem Verdacht befreit, die Teufelin zu sein, die den Domherren entmannt hat.«
»Das hat sie bestimmt getan!«, antwortete Ewald dumpf.
»Hat sie das tatsächlich? Woher wisst Ihr das?«
»Sie wollte es tun.«
»Wann?«
»Als er… als er mich niedergeschlagen hat. Sie hat das Rasiermesser mitgenommen. Als er sie in die Kammer gezerrt hat.«
»Wann war denn das?«
»Im Juni, glaube
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