Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
Vom Netzwerk:
aufteilen. Angesichts dessen wäre es doch ein Jammer, seine Wünsche nicht zu respektieren.«
    Erneut sah Prudence Alma forschend in die Augen. »Ich glaube dir nicht«, sagte sie schließlich.
    »Du musst mir auch nicht glauben«, erwiderte Alma. »Es ist dennoch so, wie ich sage. Hanneke wird bleiben, um das Personal zu beaufsichtigen und dir die Verwaltung von White Acre anfangs zu erleichtern. Vater hat zwar auch sie mit einem großzügigen Erbteil bedacht, doch ich weiß, sie wird bleiben und dich unterstützen wollen. Sie bewundert dich sehr, und zudem macht sie sich gerne nützlich. Auch die Gärtner und die Gartenplaner werden bleiben, um die Parkanlagen zu erhalten. Die Bibliothek wird zur Erbauung der Schüler intakt gehalten. Mr Dick Yancey wird sich weiterhin um die Geschäftsinteressen unseres Vaters im Ausland kümmern, und er übernimmt auch den Anteil der Whittakers am pharmazeutischen Unternehmen, dessen Profite allesamt in die Schule, die Gehälter der Angestellten und die Anliegen der Abolitionisten fließen werden. Hast du das verstanden?«
    Prudence gab keine Antwort.
    Alma fuhr fort: »Oh, und es gibt noch eine weitere Klausel. Vater hat ein großzügiges Erbteil dafür eingesetzt, die Unterhaltskosten unserer Freundin Retta in der Griffon-Anstalt zu begleichen, bis ans Ende ihrer Tage, damit George Hawkes mit ihrer Pflege nicht weiter belastet wird.«
    Nun schien es, als würden Prudence’ Züge doch entgleisen. Ihre Augen wurden feucht, genau wie ihre Hand, die Almas Hand immer noch umklammert hielt.
    »Nichts, was du jemals sagen kannst«, flüsterte sie, »wird mich davon überzeugen, dass unser Vater all diese Dinge gewünscht hat.«
    Doch Alma blieb unverdrossen. »Das sollte dich nicht so sehr erstaunen. Du weißt doch, was für ein unberechenbarer Mensch er war. Und du wirst sehen, Prudence, die Besitzurkunden und die Überschreibungsdokumente sind allesamt eindeutig und rechtens.«
    »Ich weiß genau, Alma, dass es dir ein Leichtes ist, rechtmäßige Dokumente auszufertigen.«
    »Aber du kennst mich doch schon so lange, Prudence. Hast du je erlebt, dass ich irgendetwas getan hätte, was unser Vater mir nicht erlaubt, mir nicht aufgetragen hat? Denk nach, Prudence! Hast du das je erlebt?«
    Prudence wandte den Blick ab. Dann fiel ihre Miene in sich zusammen, ihre Beherrschung zerbrach, und sie zerfloss in Tränen. Alma zog ihre Schwester – ihre unbeschreibliche, tapfere, so wenig gekannte Schwester – in ihre Arme, und so standen die beiden Frauen lange da und hielten einander umschlungen, während Prudence weinte.
    Schließlich löste sie sich von Alma und trocknete sich die Augen. »Und was hat er dir hinterlassen, Alma?«, fragte sie mit bebender Stimme. »Was hat unser großzügiger Vater inmitten all dieser gänzlich unerwarteten Wohltätigkeit dir zugedacht?«
    »Das braucht dich jetzt nicht zu kümmern, Prudence. Ich habe sehr viel mehr, als ich jemals brauchen werde.«
    »Aber was genau hat er dir hinterlassen? Das musst du mir noch sagen.«
    »Ein wenig Geld«, sagte Alma. »Und die Remise noch dazu – genauer gesagt, all meine Besitztümer darin.«
    »Sollst du denn jetzt auf ewig in der Remise leben?«, fragte Prudence überwältigt und verwirrt und griff erneut nach Almas Hand.
    »Nein, Liebes. Ich werde nie wieder irgendwo auf White Acre wohnen, niemals mehr. Es gehört jetzt ganz und gar dir. Doch meine Bücher und meine Besitztümer sollen in der Remise bleiben, während ich eine Zeitlang fortgehe. Sobald ich mich dauerhaft niederlasse, werde ich nach allem schicken, was ich benötige.«
    »Aber wo willst du denn hin?«
    Alma konnte sich das Lachen nicht verkneifen. »Ach, Prudence«, sagte sie. »Wenn ich dir das erzähle, wirst du doch nur glauben, ich sei verrückt geworden!«



Teil 4
    Missionen und ihre Folgen

Kapitel 21
    Alma brach am 13. November des Jahres 1851 nach Tahiti auf.
    In London hatte man soeben den Crystal Palace für die Weltausstellung errichtet. Im Pariser Panthéon war das foucaultsche Pendel aufgehängt worden. Der erste Weiße hatte das Yosemite Valley erblickt. Unter dem Atlantik wurde das erste See-Telegraphenkabel verlegt. John James Audubon war an Altersschwäche verstorben, Richard Owen bekam für seine paläontologischen Arbeiten die Copley-Medaille verliehen, am Female Medical College of Pennsylvania stand der erste Jahrgang von acht Ärztinnen kurz vor dem Abschluss, und Alma Whittaker war im Alter von einundfünfzig Jahren

Weitere Kostenlose Bücher