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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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unkalkulierbarer, gescheiterter Versuche.«
    »Wer nicht auf den Kampf ums Überleben vorbereitet ist«, so schrieb sie, »sollte sich wohl besser gar nicht erst am Leben versuchen. Das einzig wahrhaft unverzeihliche Verbrechen besteht darin, die Versuchsanordnung des eigenen Lebens vor dem natürlichen Ende abzubrechen. Dies zeugt von Schwäche und ist zutiefst bedauerlich – denn die Versuchsanordnung des Lebens endet für uns alle binnen viel zu kurzer Frist, und man sollte genug Neugier und Mut besitzen, sich bis zum endgültigen und unausweichlichen Dahinscheiden dem Kampf zu stellen. Wer sich dem Kampf um sein Verweilen verweigert, ist feige. Wer sich dem Kampf um sein Verweilen verweigert, kündigt damit sein feierliches Bündnis mit dem Leben auf.«
    Manchmal musste sie ganze Seiten wieder ausstreichen, wenn sie ihre Arbeit einmal unterbrach, um festzustellen, dass sie seit vielen Stunden pausenlos schrieb, sich jedoch im Grunde längst nicht mehr mit Moospflanzen befasste.
    Dann begab sie sich, stets dicht gefolgt von Roger dem Hund, auf einen flotten Rundgang über das Deck des Schiffes – welches Schiff es auch sein mochte. Ihre Hände zitterten, und das Herz quoll ihr über vor Gefühlen. Sie lüftete Kopf und Lunge und prüfte noch einmal ihren Standpunkt. Anschließend kehrte sie in ihre Kabine zurück, setzte sich mit einem neuen Blatt Papier nieder und fing noch einmal ganz von vorne mit dem Schreiben an.
    Diese Übung wiederholte sie mehrere hundert Mal, fast vierzehn Monate lang.
    •
    Als Alma schließlich in Rotterdam eintraf, war ihr Traktat nahezu vollendet. Als völlig vollendet konnte sie ihn nicht betrachten, denn etwas fehlte noch daran. Das Wesen im Winkel ihres Traumes musterte sie immer noch, unruhig und unzufrieden. Es nagte an ihr, dieses Gefühl des Unvollendeten, und sie beschloss, sich der Idee so lange weiter zu widmen, bis sie ihrer Herr geworden war. Bei alledem war sie indessen überzeugt, dass der größte Teil ihrer Theorie hieb- und stichfest war. Wenn ihre Überlegungen zutrafen, dann hielt sie eine revolutionäre, vierzigseitige wissenschaftliche Abhandlung in Händen. Was aber, wenn ihre Überlegungen nicht zutrafen? Nun, dann hatte sie immerhin die ausführlichste Abhandlung über das Leben und Sterben einer Mooskolonie in Philadelphia verfasst, die die Welt der Wissenschaft je zu Gesicht bekommen würde.
    In Rotterdam ruhte Alma einige Tage aus, in dem einzigen Hotel, das bereit gewesen war, Rogers Anwesenheit zu dulden. Den Großteil des Nachmittags war sie mit Roger durch die Stadt gewandert, auf der nahezu vergeblichen Suche nach einer Unterkunft. Die abschätzigen Blicke, mit denen die Hotelangestellten sie maßen, verstimmten Alma zusehends. Sie konnte sich des Gedankens nicht erwehren, dass es ihnen längst nicht so schwergefallen wäre, ein Zimmer zu finden, wenn Roger ein etwas ansehnlicherer, ein etwas einnehmenderer Hund gewesen wäre. Das erschien ihr als himmelschreiende Ungerechtigkeit, denn in ihren Augen besaß die kleine rötliche Promenadenmischung eine ganz eigene Noblesse. War Roger nicht gerade erst einmal um die Welt gereist? Welcher dieser hochmütigen Hotelangestellten konnte etwas Ähnliches von sich behaupten? Doch so war das Leben wohl – voller Vorurteile und Schmach und anderer Betrüblichkeiten.
    Das Hotel, das sie schließlich aufnahm, war ein heruntergekommenes Etablissement, geführt von einer triefäugigen Alten, die Roger hinter ihrem Tresen hervor musterte und meinte: »Ich hatte mal eine Katze, die sah auch so aus.«
    Großer Gott! , dachte Alma, voller Mitleid allein beim Gedanken an eine solch klägliche Kreatur.
    »Sie sind doch keine Hure, nich?«, erkundigte sich die Frau zur Sicherheit.
    Diesmal entfuhr Alma ein lautes »Großer Gott!«. Sie konnte es einfach nicht verhindern. Doch diese Antwort schien der Wirtin zu genügen.
    Der halbblinde Spiegel des Hotelzimmers offenbarte Alma, dass sie selbst kaum zivilisierter aussah als Roger. In diesem Aufzug konnte sie sich nicht in Amsterdam sehen lassen. Der Zustand ihrer Kleidung war verheerend und katastrophal. Auch der Zustand ihres Haars, das immer mehr ergraute, war verheerend und katastrophal. Am Haar konnte sie nichts ändern, doch in den nächsten Tagen ließ sich Alma rasch ein paar neue Kleider schneidern. Es waren keine eleganten Kleider (sie ließ sie nach Hannekes alten, praktischen Mustern fertigen), doch immerhin waren sie neu, sauber und intakt. Auch neue Schuhe

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