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Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition)

Titel: Das Wesen der Dinge und der Liebe: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Gilbert
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Instrumente (mit Ausnahme der Prismen, denen sie nicht widerstehen konnte), und wenn Alma sagte: »Herrgott nochmal, Spätzchen, jetzt musst du aber still sein und mich rechnen lassen!«, dann war Retta still und ließ Alma rechnen. Mehr noch, ihre einfältige, freundliche Gesellschaft wurde Alma geradezu angenehm. Es war, als stünde ein Vogelkäfig in der Ecke, aus dem hin und wieder ein heimeliges Gurren scholl, während Alma arbeitete.
    Hin und wieder kam es vor, dass George Hawkes auf einen Sprung bei Alma vorbeischaute, um letzte Korrekturen an einem wissenschaftlichen Aufsatz zu besprechen; jedes Mal schien er bestürzt, auch Retta Snow dort anzutreffen. George wusste nicht mit ihr umzugehen. Er war ein überaus intelligenter, ernsthafter Mann, und Rettas Albernheiten brachten ihn gründlich aus der Fassung.
    »Worüber sprechen Alma und Mr George Hawkes denn heute?«, fragte Retta an einem Novembertag, als sie ihre illustrierten Journale leid war.
    »Über Hornmoose«, antwortete Alma.
    »Oh, das klingt aber grässlich. Sind es Tiere, Alma?«
    »Nein, es sind keine Tiere, mein Spätzchen«, erwiderte sie. »Es sind Pflanzen.«
    »Kann man sie essen?«
    »Nur wenn man ein Reh ist«, sagte Alma lachend. »Und noch dazu ein hungriges Reh.«
    »Bestimmt wäre es herrlich, ein Reh zu sein«, sinnierte Retta. »Aber kein Reh im Regen, denn das wäre misslich und unbehaglich. Erzählen Sie mir von diesen Hornmoosen, Mr George Hawkes. Aber erzählen Sie so davon, dass es auch einer hohlköpfigen kleinen Person wie mir begreiflich wird.«
    Das war unredlich, denn George Hawkes kannte nur eine Ausdrucksweise, und die war akademisch und gelehrt und nicht im mindesten auf hohlköpfige kleine Personen zugeschnitten.
    »Nun, Miss Snow …«, hob er unbeholfen an. »Sie gehören zu unseren am wenigsten entwickelten Pflanzen …«
    »Wie lieblos von Ihnen, so etwas zu sagen, Sir!«
    »… und sind autotroph.«
    »Wie stolz müssen die Eltern sein!«
    »Nun … äh …«, stammelte George. Jetzt hatte es ihm vollends die Sprache verschlagen.
    Aus Mitleid mit George schaltete sich Alma wieder ein: »Autotroph, Retta, heißt, dass sie sich ihre Nahrung selbst machen können.«
    »Dann könnte ich wohl nie ein Hornmoos sein«, seufzte Retta traurig.
    »Wahrscheinlich nicht«, stellte Alma fest. »Aber du würdest die Hornmoose vielleicht mögen, wenn du sie besser kennenlernen würdest. Unter dem Mikroskop sind sie recht hübsch anzusehen.«
    Retta winkte ab. »Oh, bei diesen Mikroskopen weiß ich nie, wo ich hinschauen soll.«
    »Wo du hinschauen sollst?« Alma lachte ungläubig. »Retta – du musst durch das Okular schauen!«
    »Aber das Okular ist so einengend und der Anblick von winzigen Dingen so beängstigend. Man wird seekrank davon. Werden Sie nicht auch seekrank, Mr George Hawkes, wenn Sie durchs Mikroskop schauen?«
    George starrte mit gequälter Miene zu Boden.
    »Nun sei still, Retta«, ermahnte Alma sie. »Mr Hawkes und ich müssen uns konzentrieren.«
    »Wenn du mir weiterhin sagst, dass ich still sein soll, dann muss ich jetzt gehen und Prudence stören, die Blumen auf Teetassen malt und mich davon zu überzeugen sucht, ein vornehmerer Mensch zu werden.«
    »Dann geh!«, frohlockte Alma.
    »Wirklich, ihr beiden«, murrte Retta. »Ich verstehe einfach nicht, warum ihr immer so viel arbeiten müsst. Aber wenn es euch von den Spielhallen und Ginpalästen fernhält, wird es euch wohl keinen bleibenden Schaden zufügen …«
    »Geh!«, wiederholte Alma und gab Retta einen liebevollen kleinen Schubs. Retta trabte davon und ließ eine lächelnde Alma und einen gänzlich überforderten George Hawkes zurück.
    »Ich bekenne, dass ich kein Wort von dem verstehe, was sie sagt«, erklärte er, kaum dass Retta verschwunden war.
    »Seien Sie getrost, Mr Hawkes, sie versteht Sie auch nicht.«
    »Doch ich frage mich, warum sie sich fortwährend in Ihrer Nähe herumtreibt«, grübelte George weiter. »Versucht sie, sich durch Ihre Gesellschaft zu bessern?«
    Alma spürte, wie ihr die Freude über das Kompliment heiß in die Wangen stieg: Es machte sie glücklich, dass George ihrer Gesellschaft eine bessernde Kraft zuschrieb, gleichwohl antwortete sie nur: »Über Miss Snows Motive wird es niemals letzte Gewissheit geben, Mr Hawkes. Wer weiß? Vielleicht versucht sie, mich zu bessern.«
    •
    Bis Weihnachten war es Retta Snow gelungen, die Freundschaft zu Alma und Prudence so zu festigen, dass sie die Whittaker-Mädchen mehrmals

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