Das Wiegen der Seele (German Edition)
Kühlschrank. Außer ein paar Dosen Bier, Käse und zwei Tomaten war der Schrank leer. Er machte sich schließlich ein Käsebrot und ging ins Schlafzimmer, wo er nach den Unterlagen suchte, die er auf seiner Nachtkonsole gestapelt hatte. Während er mit der einen Hand das Brot festhielt und mit der anderen zwischen den Seiten blätterte, fiel ihm wieder der Chrysler ein. Er knipste das Deckenlicht aus und trat ans Fenster. Der Chrysler stand noch immer auf der anderen Straßenseite. Doch Nettgen bemerkte, dass sich niemand mehr im Auto befand. Er runzelte die Stirn und ließ die Gardine los. Genau in diesem Moment klingelte und klopfte es an seiner Tür. Nettgen ging in den Flur.
„Wer ist da!?“ rief er und legte eine Hand an die Dienstpistole.
„Kommissar Nettgen, wir möchten uns gerne mit I hnen unterhalten“ , hörte er eine Stimme mit ausländischem Akzent.
Nettgen zog die Pistole aus dem Halfter und hielt sie schussbereit. Er hielt es für klüger, kein Risiko einzugehen.
„Zu früh für ein Plauderstündchen, finden S ie nicht auch?“, rief Nettgen. „Wer zum Teufel sind S ie?“
Für einen Moment herrschte Stille, dann jedoch antwortete die Stimme: „Wir haben Informationen, die S ie vielleicht interessieren könnten. Über die Morde . “
Nettgen wusste nicht, was er davon zu halten hatte. Er war verwundert und doch neugierig. Er öffnete die Tür einen Spalt und schaute durch den Schlitz, seine Pistole vor die Öffnung gerichtet. Genau in diesem Augenblick flog Nettgen die Tür ins Gesicht. Die beiden Unbekannten traten mit voller Wucht gegen die Tür, sodass Nettgen einen riesigen Satz nach hinten machte und unsanft auf dem Boden landete. Seine Pistole flog durch die Luft und landete schließlich ungreifbar weit weg auf dem Teppichboden. Die Unbekannten stürmten in seine Wohnung. Sie trugen schwarze Masken, nur ihre dunklen Augen schauten durch kleine, kreisrunde Öffnungen. Noch bevor sich Nettgen ein Bild über die Vermummten machen konnte, fielen sie über ihn her. Er hatte keine Chance auch nur daran zu denken, sich zu erheben, um an seine Waffe zu gelangen. Einer der beiden kniete auf seiner Brust. In einem Stoß leerte sich Nettgens Lunge. Der Druck schmerzte so sehr, dass er dabei laut stöhnte. Dann bekam er einen Faustschlag ins Gesicht und gleich hinterher einen zweiten, der ihn noch härter auf die Nase traf. Der andere Vermummte stopfte ihm ein Tuch in den Mund. Binnen Sekunden sog es sich mit Nettgens Blut voll, das wie ein Wasserfall aus seiner Nase schoss. Dann zog einer ein blutverschmiertes Messer und hielt es ihm an die Kehle. Er spürte den Druck der rasierklingenscharfen Schneide an seinem Hals. Der Angreifer drückte das Messer immer intensiver in die Haut, so dass Nettgen zwar den Schmerz spürte, jedoch nicht blutete.
Nettgen übermannte die Panik. Trotz des Knebels schrie er dumpf auf . Er bekam keine Luft, drohte zu ersticken. Ihm kam der Gedanke, dass er diesmal nicht lebend davonkam.
„Halten S ie sich aus den Mordfällen raus! Keine Ermittlung mehr! Oder auch S ie sterben!“ , schrie ihn der Typ mit dem Messer an.
Dann ging alles sehr schnell. So s türmisch die Männer in seine Wohnung gelangten , so schnell waren sie auch wieder weg. Nettgen hörte nur noch, wie sie durch das Treppenhaus stürzten. Er riss sich den Knebel aus dem Mund und schnappte nach Luft.
Er blieb noch eine Weile japsend auf dem Teppichboden sitzen. Der Schock saß tief. Er fühlte sich, als hätte ihn eine Dampflok überfahren und zitterte am ganzen Körper. Seine Knochen fühlten sich an wie Gummi. Nettgen strich vorsichtig mit einer Hand über die Stelle am Hals, an der er das Messer zu spüren bekommen hatte.
Die Realisierung dessen, was ihm gerade widerfahren war, machte sich allmählich in seinem Bewusstsein breit. Das erste Mal seit langer Zeit hatte er wirklich Angst gehabt, Todesangst. Und sie schien durchaus berechtigt zu sein, denn die Typen hatten nicht danach ausgesehen, als hätten sie lange gefackelt. Und sie hatten eindeutig die besseren Karten.
Nach und nach erholte er sich und stand vorsichtig auf. Seine Knie waren weich wie Butter. Er hätte sich nicht gewundert, wenn seine Hose nass gewesen wäre. Ein kurzer Griff in den Schritt bewies das Gegenteil. Noch ein wenig benommen trat er vor den Spiegel. Sein Gesicht war blutverschmiert, seine Nase hätte jeder Clown als Markenzeichen verwenden können. Am Hals blutete er nicht, doch die Druckstelle war noch deutlich
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