Das Wiegen der Seele (German Edition)
in einem Fast Food-Restaurant ein und hoffte, dass das Unwetter derweil etwas nachließe. Schließlich sollte Maria seiner Stimme lauschen, nicht seinem knurrenden Magen.
Kurz darauf saß er mit einem Cheeseburger schmatzend am Steuer. Er reihte sich an der nächsten Ausfahrt in eine Autoschlange, kam nur langsam voran und konzentrierte sich so sehr auf den Verkehr, dass er zu spät bemerkte, wie Senfsoße auf sein Oberhemd kleckerte.
„Scheiß Burger!“, schimpfte er laut und warf den Rest davon aus dem Fenster.
Nach mehr als dreißig Minuten nervtötender Autofahrt erreichte er endlich das Anwesen . Das Tor war nicht geöffnet, also klingelte er an der Gegensprechanlage. Nach einiger Zeit meldete sich die piepsende Stimme des Hausmädchens: „ Ja, bitte? “
„ Kommissar Nettgen, ich möchte zu Frau Crampton .“
„ Guten Tag , Herr Kommissar, Frau Crampton erwartet Sie schon. “
„ Schön, dann öffnen Sie bitte das Tor, ich habe keine Lust, hier noch lange im Regen zu stehen .“
„ Gern, aber da gibt es ein Problem: Der Motorantrieb ist ausgefallen, und der Monteur kann erst morgen kommen. Sie müssten das Tor von Hand öffnen .“
Das darf doch nicht wahr sein, geht an diesem Scheißtag auch irgendetwas glatt? Das dachte Nettgen natürlich nur, in die Gegensprechanlage sagte er: „ Okay, ich parke kurz den Wagen, entriegeln Sie schon mal das Tor .“
„ Gern “, kam prompt die Antwort aus dem Kasten.
Er parkte dicht am Bordstein vor dem gewaltigen Stahlzaun, der das Grundstück umschloss. Währenddessen nahm das Gewitter an Gewalt zu. Die Donnerschläge hatten sich zu einem Dröhnen vereint, das alle anderen Geräusche um ihn herum verschluckte. Der Regen wurde so heftig, dass er nur noch wenige Meter sehen konnte.
Er stieg fluchend aus dem Wagen und rannte im strömenden Regen zum Tor. Wenn schon alles automatisch ging, warum konnte sich dieses blöde Tor jetzt nicht für ihn öffnen?
Doch in diesem Moment öffnete sich das Hoftor. Frau Crampton stand mit einem Regenschirm an der Einfahrt.
„Ralf, bist ja nass bis auf die Haut. Ist alles in Ordnung?“
Nettgen antwortet nicht auf diese komische Frage. Er starrte sie nur an und nickte mit dem Kopf. Behutsam legte sie die Hand um seine Hüfte, stützte ihn und nahm ihn mit ins Haus.
Einige Minuten später saß Nettgen im Bademantel vor dem Kamin. Das Hausmädchen brachte ihm einen Kamillentee. Kamillentee! Als ob der Tag nicht schon schlimm genug gewesen wäre! Beim ersten Schluck schmeckte der Tee wie eingeschlafene Füße, das wollte sich Nettgen jedoch nicht anmerken lassen und lächelte krampfhaft. Er überlegte kurz, ob er nach einem Whisky für den Tee fragen sollte, entschied sich dann aber doch, es zu lassen. Stattdessen betrachtete er die um ihn herumstehenden gesammelten Schätze, noch immer fasziniert von der kostbaren und seltenen Einrichtung des Zimmers.
Sein Blick richtete sich auf eine etwa eineinhalb Meter lange Sonnenbarke, die auf einem hölzernen Regal stand. Das Boot hatte einen hochgezogenen Bug und ein elegant geschwungenes Heck. Es bestand aus Holz, das an beiden Enden vergoldet und entlang des Rumpfes bemalt war. Gleich neben der Sonnenbarke hing ein Schwert aus Bronze. Nettgen konnte sich vorstellen, dass dieses Schwert vermutlich als Schlagwaffe eingesetzt worden war, denn es hatte keine scharfe Schneide. Dieses Exemplar war aus einem Stück gegossen und dezent mit wenigen, tiefen Linien verziert, die über dem hölzernen Griff in einer Linie endeten.
„Geht es dir besser? “, fragte Maria , die gerade das Zimmer betrat. Sie sah umwerfend aus. Während Nettgen sich mit dem Kamillentee amüsiert hatte, musste sie ein Bad oder eine Dusche genommen und sich umgezogen haben. Jetzt hatte sie ein hautenges Hauskleid an, das zwar alles Wichtige verbarg, aber dafür umso mehr erahnen ließ. Nettgen drehte sich um und begrüßte sie, indem er sie zärtlich in die Arme nahm. Er streichelte ihre Wange und gab ihr einen sanften Kuss auf den Mund.
„Ja“, flüsterte er. „Es geht schon wieder. Schön, dich zu sehen . “ Dann schwieg er für einen Moment, bevor er erzählte:
„Was für ein Tag... Erst bekomme ich messerscharfen Besuch und dann so was. An einem solchen Tag bleibt man besser im Bett und rührt sich nicht von der Stelle . “
„Besuch ? “, fragte sie. „Was für Besuch? Und was ist mit deiner Nase passiert? Die ist ganz angeschwollen . “
„Ist jetzt nicht so wichtig. Und – ganz
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