Das Wiegen der Seele (German Edition)
tun?“
„Frau Klein“, sagte Nettgen , „h ier wird doch jedes Gespräch, das hereinkommt, aufgezeichnet, nicht wahr?“
„Ja, das ist richtig. Das geschieht automatisch“, erklärte sie.
„Können Sie sich vielleicht an den anonymen Anrufer erinnern, der den Hinweis auf den Mord in der Schmuckfabrik meldete ? “
„Nein, ich hatte an diesem Tag frei. Da müssen S ie Frau Hindenburg fragen, sie hatte Dienst. Sie ist aber seit gestern für zehn Tage im Urlaub . “
„Hm...“, grummelte Nettgen. „Das bringt mich leider auch nicht weiter. Wo werden die Tonbänder gelagert, oder kann es sein, dass das Band mit der Aufzeichnung bereits analysiert wurde?“
„Da fragen Sie mich was“, antwortete Frau Klein. „Tut mir leid, da kann ich Ihnen nicht weiterhelfen . “
„Trotzdem vielen Dank und noch einen schönen Tag“, sagte Nettgen und machte sich auf den Weg zur Abteilungsetage des Ermittlungsdienstes. Unterwegs fragte er sich, warum er nicht daran gedacht hatte, aber noch viel mehr, warum ihn niemand informiert hatte.
Er öffnete die Bürotür neben einem Trinkwasserbehälter und betrat den Raum. Er blickte auf einen Schreibtisch. Ihm kam das Chaos bekannt vor, denn auch auf diesem stapelten sich Akten, lose Blätter und diverse Umlaufmappen. Der Schreibtischsessel war leer, das Büro nicht besetzt. Nettgen näherte sich dem Tisch und betrachtete ein Blatt Papier mit handgeschriebenen Notizen. Er konnte keinen Buchstaben entziffern.
„Was für eine Sauklaue, die ist ja schlimmer als meine“, dachte er.
Er ging um den Tisch und starrte auf den Monitor. Das Bild flackerte und auf dem Schirm waren in Großaufnahme Fingerabdrücke abgebildet. Dann zog er aus der Mitte des Tisches ein paar lose Papiere aus dem Stapel und las Autopsieberichte , Laborberichte und Berichte über Personen, zu denen man Recherchen durchgeführt hatte. Hätte das jemand in seinem Büro gewagt, er hätte ihn wahrscheinlich umgebracht.
Er vernahm Stimmen aus dem Flur , legte hastig die Papiere zurück und begab sich auf die andere Seite des Tisches. In diesem Moment betrat auch schon ein kleiner, dünner Mann das Büro und redete wie am Fließband mit seinem Kollegen. Als er Nettgen erblickte, beendete er abrupt das Gespräch.
„Kommissar, was kann ich für Sie tun?“
„Ich brauche Ihre Hilfe!“ Nettgen erklärte kurz die Situation und den Grund, der ihn in diese Abteilung geführt hatte.
Minuten später stand Nettgen vor einem Computer im Nebenraum, aus dem eine Stimme mit ausländischem Akzent erklang:
Den Wächtern der Kammer entgeht kein Eindringling, der die Stätte entweiht. Alle Augen sehen den Feind, der den Tod findet und der da geht in die Unterwelt. Die alte Schmuckfabrik wird seine letzte Ruhestätte sein .. .
Nettgen zupfte an seiner Hose, schüttelte den Kopf und ließ die Aufzeichnung immer und immer wieder zurückspulen und abspielen. Er lauschte und war sich schließlich ganz sicher, dass es sich bei der Stimme um seinen unfreundlichen Besucher handelte. Akzent und Tonfall waren identisch.
„Ich danke Ihnen“, sagte er schließlich zu seinem Kollegen. „Warum liegt dieses Band eigentlich nicht auf meinem Schreibtisch?“
„Das kann ich Ihnen sagen“, erklärte der Ermittler. „Ich habe das Band an Herrn Burscheidt weitergeleitet, da ich nicht wusste, wer an diesem Fall ermittelt. Ich habe nur den Dienstweg eingehalten, obwohl ich mir schon dachte, dass das Band zurückkommt. Und so war es auch. Laut Burscheidt konnte mit dem Band nichts angefangen werden. Also sollte es vorerst ins Archiv.“
Nettgen dankte mit einem Kopfnicken und meinte dann:
„Ist schon in Ordnung. Geben Sie mir das Band bitte mit.“
Nettgen unterschrieb die Annahme der Aufzeichnung und machte sich auf den Weg zu Burscheidts Büro. Vor der Tür stoppte er. Er überlegte sich genau, was er sagen wollte und ob er seinen Chef überhaupt in die Sache mit den Unbekannten einweihen sollte. Immerhin befand sich Nettgen in Gefahr und wollte nichts riskieren. Nach langem Überlegen entschied er sich, reinen Wein einzuschenken und klopfte an die Tür des Bosses. Er klopfte ein zweites Mal, bevor er Burscheidts Stimme vernahm. „Herein . “
Nettgen nahm sich viel Zeit, alles zu erklären und auch zu erzählen, was der anonyme Anrufer und sein Besucher gemein hatten. Im Laufe seiner Erzählung bemerkte Nettgen einen angespannten, jedoch stark interessierten Gesichtsausdruck bei seinem Chef. Burscheidt gab ihm nicht
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