Das wilde Herz der Highlands
Halle ruhen können.
Auf dem oberen Treppenabsatz hielt sie inne und blickte sich erstaunt um. Duncan hatte bereits vor ihrem Aufbruch begonnen, einige bauliche Veränderungen vorzunehmen. Ihr Vater hatte herausgestellt, dass die Familie stetig wachse und Ilianas Mutter während ihrer Besuche eine der drei im oberen Geschoss befindlichen Kammern benötige. Und da er weder geneigt sei, sein Gemach aufzugeben, noch dergleichen von Seonaid verlange, solle Duncan sich schon einmal darauf einstellen, die Kammer herzugeben, die er mit seiner jungen Gemahlin bewohne. Der Gedanke, mit seiner liebreizenden Frau in der Großen Halle nächtigen zu müssen, hatte Duncan angespornt, das Obergeschoss ausbauen zu lassen. Offenbar waren die Arbeiten abgeschlossen, denn das Geschoss bot doppelt so viele Räume wie zuvor.
Seonaid zögerte, ehe sie sich der Tür zu ihrer Kammer näherte - der Kammer zumindest, in der sie bislang geschlafen hatte, woran sich vermutlich nichts geändert hatte. Doch als sie die Tür öffnete, verharrte sie auf der Schwelle, denn das Bett war bereits belegt. Es dauerte einen Moment, bis sie Lady Helen erkannte, die tief und fest schlummerte. Da sie Helen nicht wecken wollte, wich sie auf den Gang zurück.
„Tut mir leid, M’lady. Ich habe es für das Beste gehalten, die Schwester in Eurem Gemach unterzubringen“, erklärte die Magd namens Janna, die herbeigeeilt kam. „Die neuen Kammern sind noch nicht vollständig eingerichtet.“
Seonaid winkte ab. „Schon gut, ich nehme eines der anderen Gemächer. Lord Rolfe und Sherwell können sich von mir aus eines teilen oder sich darum prügeln, wer von ihnen unten in der Halle nächtigen muss. Ich bin zu müde für Höflichkeiten und möchte Hel... Schwester Helen nicht stören“, berichtigte sie sich hastig. „Wärst du wohl so gut, nach unten zu gehen und dich um die Unterbringung der Herren zu kümmern?“
„Aye, M’lady.“
Sie sah Janna nach, die auf die Treppe zustrebte, und nur deshalb wurde sie auf Sherwell aufmerksam, der eben die letzten Stufen nahm. Als er sie erblickte und auf sie zukam, wandte Seonaid sich rasch ab und schritt auf die erste der neuen Kammern zu.
„Seonaid!“, rief er streng.
Doch ihr war nicht nach einer Unterredung, und daher schlüpfte sie durch die Tür und schlug sie ihm vor der Nase zu. Gerade hatte sie den Riegel vorgelegt, als er auch schon mit der Faust gegen das Holz schlug.
„Seonaid!“
„Verschwindet!“, rief sie durch die Tür, ehe sie sich umdrehte und den Raum, in dem sie gelandet war, begutachtete. Sie schnitt eine Grimasse. Bis auf ein Bett gab es keinerlei Möbel. Auch Wandbehänge waren nicht vorhanden, ebenso wenig wie ein Laken auf der Strohmatratze. Seonaid zuckte mit den Schultern. Sie hatte schon schlechter geschlafen, und immerhin hatte sie ein Bett.
„Seonaid, so macht doch auf!“ Wieder hämmerte Sherwell gegen die Holztür, aber Seonaid beachtete ihn nicht weiter. Sie legte ihr Plaid ab, wickelte sich darin ein wie in eine Decke, durchquerte die Kammer und ließ sich aufs Bett fallen, um im Schlaf Vergessen zu finden.
Blake starrte verdrossen die Tür an und trommelte abermals dagegen. „Seonaid! Kommt heraus!“
„Heda! Was soll der Lärm? Wie soll man sich erholen und wieder auf die Beine kommen, wenn Kerle wie Ihr einen solchen Radau veranstalten?“
Langsam wandte Blake sich um und entdeckte seinen zukünftigen Schwiegervater, der in der gegenüberliegenden Tür stand. Was Blake verdross, war der Umstand, dass Angus Dunbar noch immer in den feinen neuen Beinkleidern steckte. Wams und Tunika hatte er abgelegt, aber der Verband um den oberen Brustbereich gemahnte Blake daran, dass Dunbar angeschossen worden war - und das zweifellos, während er die golddurchwirkte Oberbekleidung getragen hatte. Vermutlich war sie dahin.
„Aye, was soll der Krach?“, fragte Duncan Dunbar von der nächsten Tür her. Auch der jüngere Dunbar war spärlich bekleidet, er hatte sich lediglich ein großes Leinentuch um die Hüften geschlungen. Ein feuchtes Leinentuch. Er war wohl soeben aus dem Bad gestiegen.
„Verzeiht, meine Herren“, erwiderte Blake trocken. „Ich versuche nur, mit Seonaid zu reden.“
„Nun, versucht es ein andermal. Es ist doch wohl offensichtlich, dass sie gerade nicht mit Euch sprechen will.“ Angus Dunbar schaute von der Tür zu Blake und grinste widerwillig. „Habt sie also aus dem Kloster herausbekommen, wie ich sehe. Erstaunlich. Sie muss mehr für Euch
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