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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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das doch mal an, Hugh. Naß, grau und leer. Wie soll ich da Heimweh bekommen?« Sie schüttelte den Kopf. »In Girton wird es bestimmt genauso sein wie in der Schule, ganz sicher. Du weißt, wie ich die Schule gehaßt habe. Und dann auch noch Altphilologie!« Ihr Ton war voll tiefer Geringschätzung.
    »Du könntest vielleicht das Fach wechseln, könntest Geschichte studieren … oder Literatur.« Hugh sah Robins Blick. »Oh.« Er schwieg einen Moment. Dann sagte er: »Du mußt es ihnen sagen.«
    »Ich weiß.« Seufzend fuhr sich Robin mit den Fingern durch die Haare, daß sie hinterher nach allen Seiten abstanden. Als sie ihre Galoschen überzog, hörte sie Hugh zaghaft sagen: »Versuch es ihnen schonend beizubringen, ja, Rob? Du weißt, wieviel es Pa bedeutet hat, daß du das Stipendium bekommen hast.« Dann öffnete sie die Tür des Winterhauses, sprang die Treppe hinunter und rannte über den durchweichten Rasen zum Haus.
    Sie bemühte sich wirklich, es ihnen schonend beizubringen, aber irgendwie ging alles schief. Sie verstimmte ihren Vater, indem sie erklärte, drei Jahre lang graue Vergangenheit zu studieren, wäre nichts als Zeitverschwendung; sie verstimmte ihre Mutter, weil sie sich weigerte, auch nur einen Bissen von ihrem aufwendig zubereiteten Essen zu nehmen. Aber das schlimmste war, daß Hugh blaß wurde, als sie verzweifelt rief: »Ich habe doch nie eine Wahl gehabt! Weil Stevie tot ist – und Hugh krank, muß ich nach Girton.« Ein Blick um den Tisch zeigte ihr, daß sie sie alle verletzt hatte. Sogar Hugh, der so verständnisvoll gewesen war. Mit einem Schrei der Wut und der Verzweiflung stürmte sie aus dem Zimmer, riß ihren Mantel vom Haken und lief aus dem Haus.
    Sie rannte durch Matsch und Pfützen bis zum Bahnhof von Scham. Wunderbarerweise war ihr Portemonnaie in ihrer Manteltasche. Und der Zug nach Cambridge stand abfahrbereit auf dem Gleis. Als Robin im Abteil saß, starrte sie in die graue nasse Landschaft der Fens hinaus und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Es roch gewaltig nach abgebrochenen Brücken und verbrannten Schiffen.
    Auf dem Bahnhof von Cambridge, als sie mitten in der Menge eilender Menschen stand, hörte sie den Bahnhofsvorsteher die Abfahrt des Zuges nach London ankündigen. Ein plötzlicher Anfall von Heimweh nach London, nach dem Leben, das sie einmal gekannt hatte, überkam sie. Sie dachte an die Einsamkeit und die Stille von Blackmere. Sie mußte fort.
    Robin machte sich auf den Weg zum Haus von Maias Verwandten. Nach dem Tod von Maias Vater war das Haus der Reads von der Bank beschlagnahmt worden, Lydia Read hatte vor, sich wieder zu verheiraten, und Maia lebte jetzt bei dem Vetter ihrer Mutter, Sydney, und seiner Frau Margery.
    Gerade war Helen bei Maia angekommen. »Daddy mußte ein früheres Gemeindemitglied in Cambridge besuchen«, erklärte sie, »da habe ich mir gedacht, ich mache ein paar Einkäufe und schau dann bei Maia vorbei. Wie schön, daß ich dich auch sehe, Robin.«
    Maia ging in die Küche, um Tee zu machen. Robin, die sie beobachtete, sah, daß sie sich verändert hatte. Sie wirkte älter, dünner, hart. »Dein Vater muß dir schrecklich fehlen.«
    Maia goß kochendes Wasser in die Kanne und zuckte die Achseln. »Es ist komisch, wie schnell man sich an alles gewöhnt.« Sie senkte die Lider, ihren Blick verbergend. »Aber ich muß mir Arbeit suchen. Ich bin mit meinem Buchhaltungskurs fertig, jetzt werde ich mich nach etwas umsehen.« Sie nahm Tassen und Untertassen aus dem Schrank. »Und du, Robin? Hast du immer noch vor, die erste Professorin für Altphilologie in Cambridge zu werden?«
    »Ich geh nicht hin.« Robins Stimme klang bedrückt. »Ich hab's meinen Eltern vorhin gesagt. Es gab einen fürchterlichen Krach.«
    »Oh.« Maia richtete nie. Sie goß drei Tassen Tee ein.
    »Aber wenn du nicht aufs College willst«, fragte Helen, »was tust du dann?«
    »Ich hab keinen Schimmer.« Robin hielt ihre Teetasse in beiden Händen und haßte sich. Sie, die stets vorgehabt hatte, soviel zu vollbringen, hatte soeben beim ersten ernsthaften Schritt ins Erwachsenenleben die Flinte ins Korn geworfen. Bald würde sie zu ihrer Familie zurückkehren müssen, von neuem die Enttäuschung im Gesicht ihres Vaters sehen.
    Maia fragte: »Was willst du denn tun?«
    Schon wollte Robin wieder sagen, ich habe keinen Schimmer, als ihr der Bahnhof und der Zug einfielen.
    »Am liebsten würde ich wieder nach London gehen.«
    Maia erwiderte nichts, zuckte aber vielsagend

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