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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Kino wurde kürzer. Die Blumenhändlerin gegenüber schob ihren Karren vom Eingang zum Untergrundbahnhof weg. Den Blumen hingen von der Hitze welk die Köpfe.
    Sie glaubte jetzt nicht mehr daran, daß er noch kommen würde, aber sie blieb dennoch. In den Jahren, die sie einander kannten, hatten sie gestritten und gewütet und sich mit glühender Leidenschaft wieder miteinander versöhnt. Sie hätte nie geglaubt, daß es einmal so enden würde: mit Warten und Schauen, in einem langsamen Erlöschen.
    Ihr Tee war kalt geworden. Von der Kellnerin angesprochen (»Nach acht müssen Sie hier was verzehren, Miss«), bestellte sie ein Sandwich und zerkrümelte es zwischen den Fingern. Immer noch starrte sie zum Fenster hinaus, obwohl sie nicht mehr erwartete, ihn zu sehen. Die Schlange war lange verschwunden, vom Kino aufgesogen. Paare schlenderten die Straße entlang, so vertraut und ungezwungen, wie es einmal zwischen ihr und Francis gewesen war. Sie wußte, daß er eine andere hatte. Sie sah dieser Wahrheit jetzt, in diesem roten, plüschigen stickigen kleinen Café, ins Auge und konnte sie kaum aushalten. Gerüchte waren ihr zugetragen worden, zusammen mit anderen Gerüchten: anzügliche, gewisperte Schilderungen der weniger erbaulichen Art und Weise, wie Francis sich die Zeit vertrieb. Was einmal erheiternd gewesen war, war nur noch schmutzig; was sie einst fasziniert hatte, begann jetzt, sie anzuwidern.
    Sie wußte nicht, wer Francis' Geliebte war. Nicht Selena oder Diana oder Charis, obwohl alle drei, wie sie wußte, irgendwann einmal mit ihm geschlafen hatten. Eine gefährlichere Frau, dachte sie. Eine Frau, die Francis so sehr begehrte, wie Robin noch immer ihn begehrte. Eine Frau, bei der sogar Francis, der immer zu führen pflegte, niemals zu folgen, die Orientierung verlor. Er war nicht nur körperlich abwesend, sondern auch geistig; und wenn er zu ihr zurückkehrte, war er verändert, ausgebrannt.
    Sie wußte, daß sie sich trennen sollten. Daß sie seine Briefe nicht beantworten, daß sie ihn fortschicken sollte, wenn er sie in der Pension aufsuchte. Sie wußte, daß das, was einmal zwischen ihnen gewesen war, beinahe vorbei war, erschöpft, und daß das Bemühen, es mit Gewalt am Leben zu erhalten, nur etwas Häßliches und Zerstörerisches daraus machen würde. Dennoch konnte sie es nicht beenden. Sie sah immer noch manchmal das Verlangen in seinem Blick.
    Als Robin aufstand und aus dem Café ging, sah sie, daß die grelle Sonne ein wenig blaß geworden war. Sie, die stets stolz gewesen war auf ihren Mut, verachtete sich jetzt für ihre Feigheit. Sie hatte sich einst damit gebrüstet, nicht besitzergreifend zu sein, aber jetzt, da sie im Begriff war, Francis endgültig zu verlieren, hätte sie nicht sagen können, wie weit sie die Selbsterniedrigung treiben würde, um nur wenigstens einen Teil von ihm behalten zu können. »Nein, in Ketten ist mein Herz. Und wird niemals frei sein.«
    Auf der Straße vor dem Pfarrhaus stand ein Automobil, als Helen von ihrem Besuch bei den Randalls zurückkehrte. Der Fahrer des Wagens stieg aus, als sie vorüberkam, und lüftete seinen Hut. Er war Mitte Dreißig und hatte kurzes braunes Haar, ein kleines Oberlippenbärtchen und blaue Augen. In der einen Hand hielt er eine Zigarette.
    »Guten Nachmittag, Miss.«
    »Guten Nachmittag«, antwortete Helen höflich und stieß die Pforte auf.
    An seinen Wagen gelehnt, betrachtete er sie auf eine Weise, die Verlegenheit in ihr hervorrief. Sie ging den Weg hinunter. Hinter sich hörte sie ihn sagen: »Tolles altes Haus.« Sein Blick war jedoch immer noch auf Helen gerichtet und nicht auf das Pfarrhaus. »Haben Sie eigentlich einen Kühlschrank, Miss?«
    Verwirrt drehte Helen sich um. »Nein. Wir haben eine Speisekammer.«
    Er blies eine Rauchwolke in die Luft und schüttelte den Kopf. »Jammerschade! Ich mein, daß eine hübsche junge Dame wie Sie ohne modernen Kühlschrank auskommen muß. Da, schauen Sie!« Er holte ein Buch aus dem Wagen und blätterte darin. »Ich verkaufe nämlich Kühlschränke, wissen Sie, Miss. Das hier ist unser kleinstes Modell –«, er zeigte auf einen großen ovalen Kasten, »– aber für ein Haus wie das hier brauchen Sie was Größeres. Den ›Supreme‹ zum Beispiel oder den ›Princess‹. Na, was meinen Sie?«
    Sie betrachtete die Fotografie eines riesigen Kühlschranks, der vollgepfercht war mit kaltem Huhn, Aspik und ganzen Schinken. Daneben stand in kurzem Röckchen und bleistiftdünn eine ewig

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