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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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hörte ihn sagen: »Du brauchst mir das alles nicht zu erzählen, Maia.«
    »O doch, ich muß. Du mußt es verstehen.« Ihre Worte klangen wie ein halbunterdrückter Schrei. »Er hat mich geschlagen. Schlimmer noch. Ich kann es nicht aussprechen. Ich habe mich – schmutzig gefühlt. Ich fühle mich immer noch schmutzig.«
    Jetzt sah sie ihn doch an, voll Angst, Ekel oder Zurückweisung in seinen Augen zu sehen. Aber sie sah nur Mitgefühl.
    »Ich war froh, als er tot war. Du siehst, einiges von dem, was man über mich spricht, ist wahr. Ich war böse.«
    »Niemals. Du könntest niemals böse sein, Maia. Dazu bist du einfach nicht fähig.«
    Sie schloß die Augen und wünschte, sie könnte die Vergangenheit auslöschen.
    »Was Vernon dir angetan hat, Maia«, sagte er, »dafür mußt du dich nicht schämen. Dafür muß sich einzig Vernon schämen.«
    Sie fragte sich, ob er recht hatte. Sie hatte viele andere Gründe, sich zu schämen – Dinge, über die sie niemals mit Hugh sprechen konnte –, aber an diesem Abend fiel eine der Lasten, die sie seit Jahren niederdrückten, von ihr ab, und sie fühlte sich leichter, befreit.
    »Ich bin nicht Vernon«, sagte er. »Wenn du mich heiratest, wird es nicht so werden, wie es mit Vernon war. Ich würde dir niemals etwas antun, Maia. Ich liebe dich seit dem ersten Tag, an dem ich dich gesehen habe.«
    Auch Vernon, dachte sie, hatte sie geliebt, auf seine eigene perverse Weise, aber sie sagte nichts.
    »Heirate mich, Maia.«
    »Ich weiß nicht, Hugh … vielleicht …« Sie sah, wie der Ausdruck seines Gesichts sich veränderte. Als hätte er sich gegen sichere Enttäuschung gewappnet und unerwartet die Hoffnung gefunden. Soviel Glück. Soviel strahlendes Glück. Sie, Maia Merchant, besaß die Macht, einen anderen glücklich zu machen. Vielleicht war der alte Bann gebrochen; vielleicht konnte sie doch nicht nur zerstören. Und sie schuldete ihm so viel. Ohne Hugh würde sie vielleicht wieder die einsame, gehetzte Frau werden, die sie einmal gewesen war. Das könnte sie nicht ertragen.
    Sie sagte leise: »Aber ich habe Angst …«
    Er bot ihr seine Hände und zog sie aus dem Sessel hoch. »Du brauchst keine Angst zu haben«, sagte er liebevoll. »Es gibt keinen Grund, Angst zu haben. Willst du mich heiraten, Maia?«
    Langsam neigte sie den Kopf. Und merkte kaum, daß sie fröstelte.
    »Wir fahren übers Wochenende ans Meer«, hatte Francis vorgeschlagen. Erst als er sie abholte und sie sah, daß noch zwei andere mit im Wagen saßen – Guy Fortune und Evelyn Lake –, begriff sie, daß sie nicht allein fahren würden.
    Auf der Fahrt nach Bournemouth begleitete sie wechselndes Wetter, bald wäßriger Herbstsonnenschein, bald kurze, prasselnde Regenschauer. Wegen des Regens konnten sie das Verdeck des MG nicht öffnen. Evelyn Lake saß vorn neben Francis. Sie trug Seidenstrümpfe und Lackschuhe und einen blaßgelben Crepemantel. Robin, die sie betrachtete, mußte zugeben, daß sie sich unmöglich zu Guy auf den Rücksitz hätte zwängen können.
    Sie kamen am späten Nachmittag in Bournemouth an. »Herrlich heruntergekommen«, sagte Evelyn, als sie sich in dem Badestädtchen umsah, in dem die Familie Summerhayes vor vielen Jahren mehrmals Sommerurlaub gemacht hatte.
    »Wir gehen nicht in ein Hotel, Francis. Du mußt uns irgendein richtig spießiges Privatzimmer suchen. Mit Blümchentapete und Flanellbettüchern und Rauhverputz. Ja, es muß unbedingt ein Haus mit Rauhverputz sein.«
    Francis lachte und fuhr wieder los. In den weiter rückwärts gelegenen Straßen gab es Privatzimmer wie Sand am Meer. Der MG kroch von Haus zu Haus, während Evelyn sie inspizierte. »Nein, Francis – zu fein. Da passen ja alle Vorhänge zusammen: Und nein – das bestimmt nicht. Da hängen lachsrosa Florstrümpfe auf der Leine. Ich könnte nie im Leben mein Frühstück hinunterbringen, wenn es mir von einer Frau in lachsrosa Florstrümpfen serviert wird. Darling!« Evelyn spähte zum Fenster hinaus. »Das da ist perfekt! Violetter Rauhverputz!« Sie tätschelte flüchtig Francis' Hand, die auf dem Lenkrad lag.
    Da war Robin alles klar. Als sie diese flüchtige, vertrauliche Berührung sah, wußte sie, daß Evelyn Lake Francis' Geliebte war. Es erstaunte sie, daß sie gar nichts tat, daß sie nicht schrie oder sich wie eine Furie nach vorn beugte und dieser Frau jedes glänzende schwarze Haar einzeln ausriß. Nein, sie blieb still sitzen und beobachtete die ältere Frau, wie vielleicht eine Maus

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