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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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ich nicht weiß, wieviel Zeit mir noch bleibt.«
    Robin fiel auf, daß auch Evelyn Lake unten geblieben war. Sie merkte, daß Guy sie erwartungsvoll ansah.
    »Was willst du fertigbekommen?«
    »Mein Epos.«
    »Ach so.« Mit schlechtem Gewissen wurde sie sich bewußt, daß sie ihm kaum zuhörte. »Hast du einen Termin, Guy?«
    Er schüttelte den Kopf und stellte seine Bierflasche weg. »Ich möchte es wegen meines Hustens möglichst schnell fertigkriegen. Wir haben bei uns in der Familie Tuberkulose, weißt du.«
    Sie sah ihn an. Echte Angst stand in seinen Augen. »Guy, du hast keine Tuberkulose«, sagte sie tröstend. »Du hustest, weil du zuviel rauchst.«
    »Glaubst du wirklich?«
    In diesem Moment hörte sie die Schritte auf der Treppe und war tief erleichtert. Das Stimmengemurmel wurde lauter, als Francis und Evelyn durch den Korridor gingen. Aber der Türknauf drehte sich nicht. Nur die Tür des Nachbarzimmers wurde geöffnet und gleich wieder geschlossen.
    Mit hämmerndem Herzen richtete sich Robin auf dem Bett auf. Er sagte nur noch gute Nacht, weiter nichts. Gleich würde er hiersein, bei ihr.
    »Glaubst du wirklich?« fragte Guy wieder.
    Sie wußte nicht gleich, wovon er sprach. Dann nahm sie sich mit einer Kraftanstrengung zusammen und sagte bestimmt: »Guy, du weißt doch, daß ich in einer Klinik arbeite. Ich habe einige Menschen mit Tb gesehen. Und ich habe sie husten gehört. Du hast Raucherhusten. Mit Tuberkulose hat das nichts zu tun, ehrlich.«
    Er lächelte. »Du bist wirklich süß, Robin, weißt du das?« sagte er und nahm ihre Hand. »Ich hab dich wahnsinnig gern.«
    Zum erstenmal kam ihr der entsetzliche Gedanke, daß dies kein Zufall war, daß Francis nicht im nächsten Moment zur Tür hereinkommen würde, aber sie schob ihn sofort weg. Das was unmöglich. So grausam konnte er nicht sein.
    Doch Guy hielt immer noch ihre Hand und streichelte mit dem Daumen ihren Handrücken. Und sie konnte Stimmen im Nebenzimmer hören. Die Wand war dünn. Wenn sie auch die Worte nicht verstehen konnte, der Ton war leicht zu interpretieren. Ein leises Murmeln von Francis, eine kurze Antwort von Evelyn. Ein paar Worte schmeichelnder Überredung, denen gurrendes Gelächter folgte. Dann Stille.
    Weißt du«, sagte Guy, »in letzter Zeit war alles verdammt schwierig für mich, Robin. Mein Vater liegt mir dauernd in den Ohren, daß ich in seine Firma eintreten soll – kannst du dir das vorstellen? –, und weigert sich, mir auch nur einen Penny zu geben. Er ist ein gräßlicher Kapitalist. Mami schickt mir Freßpakete und ab und zu mal einen Scheck, sonst könnte ich gar nicht überleben. Ich halte das nicht mehr aus.«
    »Armer Guy«, sagte sie zerstreut, und er neigte sich über ihre Hand und begann sie zu küssen. Dann ihr Handgelenk und ihren Arm bis zum Ellbogen hinauf.
    »Guy, laß das. Sei nicht albern.«
    Im Nebenzimmer hatte schon seit einigen Minuten niemand mehr gesprochen: Sie konnte das Bett quietschen hören. Am liebsten hätte sie ihren Kopf unter dem Kissen vergraben, und gleichzeitig wäre sie am liebsten hinausgestürzt und hätte an Evelyns Tür getrommelt.
    Guy rutschte zum Fußende des Betts hinunter.
    »So süße kleine Füßchen.« Er rieb sein Kinn am Spann ihres Fußes.
    Er versuchte sie zu verführen. Der schuljungenhafte, unbeholfene, neurotische Guy Fortune versuchte sie zu verführen. Durch die Wand hörte sie Evelyns Wonnestöhnen und wußte, daß sie Guy nicht zu fragen brauchte, ob Francis diese Verführungsszene erlaubt oder vorgeschlagen hatte. Es paßte alles genau zusammen. »Guy, alter Junge – Robin ist ganz vernarrt in dich, weißt du.« Sie konnte Francis' lässigen Ton förmlich hören. Sie saß reglos auf dem Bett, während Guy ihre Fußsohle ableckte. Die Gemeinheit seines Verrats traf sie so tief, daß sie unfähig war, ihn sofort zu begreifen. Sie fühlte sich so sehr gedemütigt, daß sie sich vorstellen konnte, einfach hier zu liegen und ihren Körper einem Mann zu überlassen, den sie nicht liebte, während sie lauschte, wie im Nebenzimmer Francis und Evelyn sich liebten.
    Aber irgendwie schaffte sie es, die letzten Reste ihres Stolzes zusammenzuraffen. Sie stand auf, zog ihre Schuhe an und schlüpfte in ihren Regenmantel. »Robin, wo willst du hin?« fragte Guy, und sie antwortete: »Zum Bahnhof. Komm mir bloß nicht nach, Guy.« Dann nahm sie ihre Tasche, ging leise die Treppe hinunter und verließ das Haus.
    Die kleine Stadt war menschenleer in den frühen

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