Das Winterhaus
Dielenbretter in Schwung gesetzt, sachte hin- und herschaukelte.
Immer häufiger verloren sich Francis' Tage im Nebel. Oft erkannte er das Bett nicht, in dem er erwachte; manchmal hatte er überhaupt keine Erinnerung an die Ereignisse der vorangegangenen Nacht. Einmal verlor er volle vierundzwanzig Stunden.
Nur zwei Gestalten hoben sich klar aus der Nebelhaftigkeit seiner Tage. Die helle Gestalt war Robin, die dunkle Evelyn. Keine von beiden tat ihm derzeit in irgendeiner Weise gut. Robin weckte Schuldgefühle bei ihm, und er haßte Schuldgefühle; und Evelyn rief (nach vollzogener Handlung) Selbstekel hervor. Er sah, daß Evelyn unfähig war, Schuldgefühle oder Selbstekel zu empfinden. Sie war so völlig unbekümmert, wie er immer zu sein vorgegeben hatte und in Wirklichkeit, das mußte er sich jetzt wohl oder übel eingestehen, nie gewesen war. Manchmal haßte er sie beide dafür, daß sie ihn zwangen, sich selbst ins Gesicht zu sehen und zu erkennen, was für ein Blender er war. Er wußte, daß er um Robins willen zu einer Entscheidung kommen mußte; daß er früher oder später zwischen ihr und Evelyn wählen mußte. Er fühlte sich einer solchen Wahl nicht gewachsen, aber es erfüllte ihn mit Verachtung gegen sich selbst, daß er die Dinge einfach treiben ließ, weil er sich selbst die Qual ersparen wollte, Robin von Angesicht zu Angesicht die Wahrheit zu sagen, und weil ihm der Mut und die Selbstachtung fehlten, Evelyn zu widerstehen.
Wenn er mit Robin zusammen war, schwor er sich, daß er Evelyn nie wiedersehen würde. Seine anderen Probleme – der notorische Geldmangel, das Scheitern all seiner Bemühungen, Fuß zu fassen schienen zu schrumpfen, wenn er mit Robin zusammen war. Dann konnte er immer noch glauben, daß es ihm gelingen würde, alles wieder auf die Reihe zu bekommen. Doch in den Nächten mit Evelyn, seiner dunklen Seite, vergaß er Robin. Nur einmal, als er Evelyn unerwartet im Foyer eines Theaters begegnet war und sie mit einem kurzen Blick zu Robin gesagt hatte: »So, das ist also deine kleine Freundin, Francis«, hatte er sie mit tiefer Abneigung angesehen. Sonst war er zu Abneigung nur fähig, wenn sie nicht anwesend war.
Gelegentlich sprach Evelyn in vagen, allgemeinen Worten von Heirat, und dann schöpfte Francis Hoffnung. »So bequem – man braucht doch immer einen Begleiter.« Aber war er von ihr getrennt, so waren seine Gefühle gemischter Natur. Eine Heirat mit Evelyn hätte seine Finanzen wieder in Ordnung gebracht, und dennoch graute ihm bei der Vorstellung. Wenn er schon heiraten mußte, dann lieber Robin. Robin stellte keine Forderungen an ihn. Aber Robin war leider mittellos. Manchmal sagte er sich, die einzige Lösung sei es, beide zu verlassen. Außer Landes zu gehen, sich der Fremdenlegion anzuschließen. Dann würde Robin Guy heiraten, der sie schon seit Jahren liebte, und Evelyn würde einen anderen Sklaven finden. Und er, Francis, würde sich wieder erinnern, was er einmal hatte werden wollen, und würde endlich die eine großartige Leistung vollbringen können, die sein bis dahin verpfuschtes Leben vergessen machen würde.
Maia und Hugh sahen sich regelmäßig an drei von vier Sonntagen; jedes erste Wochenende des Monats fuhr sie weiterhin allein weg. Auf Hughs einzige, taktvolle Frage über diese einsamen Ausflüge gab Maia keine Auskunft. Und Hugh respektierte wie immer ihre Neigung zur Verschwiegenheit und stellte keine weiteren Fragen.
Mit Hugh zusammen lernte Maia reiten, segeln, Sandburgen bauen und Blumen erkennen, die an den Bachufern blühten. Das warme Wetter hielt an und verdichtete sich gegen Ende August zu einer drückenden, schwülen Hitze. Sie fuhren in die Fens hinaus und machten auf einer Wiese ein Picknick. Nachdem sie gegessen hatten, setzte sich Maia an einen Baum, und Hugh streckte sich neben ihr aus, den Kopf in ihrem Schoß. Als er die Augen schloß, sah sie zu ihm hinunter und bemerkte die feinen Fältchen an seinen Augenwinkeln und die grauen Strähnen in seinem hellbraunen Haar.
»Hugh, du wirst ja grau.« Maia zog eines der weißen Haare heraus, um es ihm zu zeigen.
Er seufzte tief. »Als nächstes werde ich die Zähne verlieren.«
»Du armer Schatz. Ich kann mir dich richtig vorstellen, mit schlohweißem Haar in deinem kleinen Häuschen mit dem Gemüsegarten …« Sie lachte. Als sie aufblickte, sah sie, daß sich am Horizont Wolken zusammenballten und den blauen Himmel verdunkelten.
»Ich werde ein griesgrämiger alter Hagestolz
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