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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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eine Schlange beobachtet. Sie musterte das lange ovale Gesicht, die lange schmale Nase, den kleinen geschürzten Mund. Wie ein Modigliani-Porträt, dachte sie. Ein sehr teures Modigliani-Porträt.
    Francis und Guy trugen das Gepäck ins Haus. Die drei nebeneinanderliegenden Zimmer waren eng und häßlich, mit Blick auf einen kleinen Hinterhof voller Mülltonnen und Kohlensäcken. In dem Zimmer, das Robin und Francis sich teilten, waren die Wände in zwei verschiedenen Mustern tapeziert, und der kirschrote Bettüberwurf aus Chenille paßte zu keinem. Das Badezimmer war am Ende des Flurs, ein Alptraum mit Linoleumboden, tausend Rohren und einem spuckenden Durchlauferhitzer.
    Sie ließen den Wagen vor dem Haus stehen und gingen zu Fuß zur Promenade zurück. Träge Wellen schlugen auf den gelben Sand. Möwen kreischten, und die Luft roch nach Salz und Tang und Teer. Gespräche kamen in Gang und versiegten nicht zu Ende geführt, versickerten wie die Wellen im Sand. Vorschläge, was man unternehmen könne, wurden gemacht und scheiterten an einer gelangweilten Geste Evelyns oder Francis' ungeduldigem Mißvergnügen. Sie mimten Amüsement, dachte Robin, aber konnten die Fassade nicht aufrechterhalten. In einem Café am Wasser aßen sie zu Abend, fritierten Fisch und Pommes frites, und tranken Tee aus angeschlagenen dickwandigen Bechern. Auf den Tischen lag Wachstuch, und durch das Fenster sah man die untergehende Sonne, die das Meer für kurze Zeit mit herrlichem Glanz übergoß.
    »Wahnsinnig amüsant«, sagte Evelyn, während sie eine Zigarette in ihre Spitze steckte und sich umsah. »Finden Sie nicht auch, Miss Summerhayes?« Francis gab Evelyn Feuer.
    »Wahnsinnig, ja«, antwortete Robin und verspürte nur eine tiefe Schwermut, eine Traurigkeit, die zu der Nach-Saison-Stimmung des Städtchens paßte.
    Sie sahen sich eine Vorstellung in dem Theater am Ende des Piers an. Es waren nur ungefähr ein Dutzend Zuschauer da. Robin, die in der ersten Reihe saß, konnte sehen, daß der jugendliche Held vierzig und nicht achtzehn war und daß die Strumpfhosen der Revuetänzerinnen überall geflickt waren. Sie saß am äußeren Ende der Reihe neben Guy. Evelyn saß zwischen Guy und Francis. In der Pause sagte Evelyn zu Francis: »Das ist ziemlich schauderhaft. Laß uns gehen, sonst müssen wir das noch eine Stunde ertragen.«
    Sie gingen zu ihrer Pension zurück. Niemand sprach, und es hatte stärker zu regnen begonnen. Das Scheinwerferlicht vorüberkommender Automobile spiegelte sich in der nassen Straße. Als sie das Haus erreicht hatten, läutete Francis, und die Wirtin machte ihnen auf.
    »Geh du schon rauf, Robin. Ich komme gleich nach.«
    Sie ging nach oben. Im Zimmer zog sie ihren Regenmantel aus und stellte sich ans Fenster. Die Hände auf das Fensterbrett gestützt, sah sie hinaus. Dann klopfte es.
    »Robin? Kann ich reinkommen?«
    »Es ist offen, Guy«
    Guy schloß die Tür hinter sich. »Die hier hab ich an dem alten Drachen vorbeigeschmuggelt.« Er öffnete seinen Mantel und zeigte ihr zwei darunter versteckte Bierflaschen.
    »Und Francis?« fragte sie.
    »Der ist im Garten und raucht noch eine. Auf dem Waschtisch steht ein Zahnputzglas.«
    Schäumend floß das Bier in das Glas.
    »Ich werd wahrscheinlich Verdauungsprobleme kriegen von dem Zeug«, sagte Guy, als er Robin das Glas reichte. »Die krieg ich auf dunkles Bier immer.«
    Sie trank und horchte die ganze Zeit nach Francis. Guy erzählte ihr von dem Epos, an dem er gerade schrieb. »Die Handlung spielt in einer Fabrik, die Automobilteile herstellt. Dichtungen oder Zylinderköpfe oder weiß der Himmel was. Der Wortrhythmus soll den rhythmischen Lärm der Maschinen wiedergeben.« Guy setzte sich aufs Bett und zog seine Schuhe aus. »Mist – ich hab doch gewußt, daß ich mir eine Blase gelaufen habe. So ein Ta-ta-te-ta-ta-Rhythmus. Sag mal, Robin, hast du dafür zufällig was da?«
    Er hatte eine winzige Blase am Knöchel. Sie suchte in ihrer Toilettentasche. Sie konnte Francis nicht hören.
    »Hamamelis. Geht das?«
    »Ich glaub schön. Würdest du das für mich machen, Robin? Ich bin bei so was eine furchtbare Mimose.«
    Sie tupfte seinen Fuß mit Hamamelis ab und klebte ein Pflaster über die Blase.
    »Francis raucht anscheinend eine ganze Packung Zigaretten.«
    Guy hockte mit der Bierflasche in der Hand am Kopfende des Betts. Da es nur einen einzigen wackligen Stuhl gab, setzte Robin sich neben ihn.
    »Ich möchte es gern bis Weihnachten fertigkriegen, weil

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