Das Winterhaus
nicht die Hälfte des Inhalts wieder herausfiel, sobald der Marsch begann. Er half ihm beim Zusammenrollen seiner Decken und schnürte sie so, daß sie möglichst wenig von dem Regen abbekamen. Als man ihnen schließlich zu Übungszwecken ein altes Maxim-Gewehr zur Verfügung stellte, war Hugh derjenige, der die Männer im Umgang mit der Waffe vertraut machte. Da er vor 18 Jahren im Weltkrieg gekämpft hatte, da er Lehrer war und daher gewöhnt, Anweisungen zu erteilen, behandelte man ihn automatisch als Führer der Einheit. Er übernahm diese Rolle bereitwillig, mit einer gewissen erheiterten Resignation und im Bewußtsein der Verantwortung, die sie mit sich brachte.
Er erhielt Robins Brief im neuen Jahr. Er las ihn zweimal durch, dann lachte er so laut, daß der Mann auf der Bank neben ihm ihn fragend ansah.
»Er ist von meiner Schwester«, erklärte Hugh. »Sie ist anscheinend auch in Spanien.«
Er las die Adresse, die Robin auf den Kopf des Briefs geschrieben hatte. Sie war in Madrid und arbeitete dort in einem Krankenhaus. Es war ihr gelungen, ihn in Madrigueras aufzuspüren, wo die britischen Freiwilligen ausgebildet wurden. Hugh las den Brief noch einmal sorgfältig durch und schrieb eine Antwort. Dann schneuzte er sich und unterdrückte den kitzelnden Hustenreiz, setzte seinen Namen unter den Brief und humpelte hinüber ins Kasino, um jemanden zu suchen, dem er seinen Brief mitgeben konnte.
Im Oktober waren die Heere der aufständischen Generäle Franco und Mola mit Verstärkung aus Italien und Deutschland auf Madrid marschiert. Die Truppen der deutschen Legion Condor trafen im November in Spanien ein, begierig, ihre neuen Waffen und ihre neuen Taktiken zu erproben. Die republikanische Regierung verlegte ihren Sitz von Madrid in das relativ sichere Valencia, und so ziemlich zur gleichen Zeit trafen die ersten Bataillone der Internationalen Brigaden – ein zusammengewürfelter Haufen aus deutschen, französischen, britischen, italienischen und polnischen Freiwilligen – in der Hauptstadt ein, wo sie mit Begeisterung und tiefer Erleichterung empfangen wurden. Nationalistische Soldaten rückten aus Süden und Westen auf die Stadt vor; nationalistische Flugzeuge bombardierten die Wohngebiete der Arbeiter. Sie legten die Häuser in Schutt und Asche und zwangen die Menschen, in Untergrundbahnhöfen und Kellern Schutz zu suchen. Ausgerüstet mit allem, was sie an Waffen finden konnten, gingen die Arbeiter und Frauen der Stadt auf die Straßen, und Ende November waren die aufständischen Heere zurückgeschlagen. Die Bombardierungen gingen weiter, konnten aber den Kampfwillen der Madrilenen nicht brechen.
Robin war Ende Dezember mit einer Einheit der britischen Sanitätstruppe, die von Dr. Mackenzie geleitet wurde, in Spanien eingetroffen. Noch am Nachmittag des Tages, an dem Daisy Hughs Brief erhalten hatte, waren Robin und Merlin nach London zur kommunistischen Parteizentrale in der King Street gefahren. Es hatte sie beinahe erleichtert zu hören, daß sie zu spät gekommen waren, daß Hugh bereits nach Paris abgereist war, vielleicht schon im Zug zur spanischen Grenze saß. Erleichtert deshalb, weil es ihr unendlich schwergefallen wäre, Hugh die Demütigung anzutun, aufgrund seines angeschlagenen Gesundheitszustandes seine sofortige Freistellung zu verlangen.
Sie schauderte immer noch, wenn sie daran dachte, was für ein Schlag Hughs Abreise nach Spanien für ihre Eltern gewesen war. Sie hatten plötzlich wie zwei alte, vom Leben geschlagene, hoffnungslose und verängstigte Menschen ausgesehen. Von ihrer Lebenstüchtigkeit, die Robin stets das Gefühl gegeben hatte, sie könne ihnen niemals das Wasser reichen, war nichts geblieben. Zum erstenmal, solange Robin zurückdenken konnte, war sie es gewesen, die getröstet und beruhigt hatte, die Tee gekocht und zu planen begonnen hatte. Es war erschütternd gewesen, mitten in all dieser Verzweiflung und Verwirrung erkennen zu müssen, wie sehr ihre Eltern sie brauchten. Sie haßte Maia, nicht allein wegen des Verrats an Hugh; sie haßte sie auch für das, was sie Daisy und Richard angetan hatte.
Am Bahnhof in der Liverpool Street hatte sie sich von Merlin getrennt, und schon auf dem Heimweg hatte der vage Plan, der sie seit dem Vormittag beschäftigte, feste Form angenommen. Am selben Abend hatte sie Neil Mackenzie angerufen und ihn gebeten, sie mit seiner Sanitätstruppe nach Spanien mitzunehmen. Er war einverstanden gewesen, und so war Robin schließlich
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