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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Kopf. Sie hörte sein Seufzen und haßte sich.
    »Ist es wegen meines Stands, Helen? In London ist das anders – da ist es nicht wie in Thorpe Fen. Da finden es die Leute nicht so wichtig, woher man kommt.«
    »Damit hat es nichts zu tun«, sagte sie leise.
    Sie schwiegen beide. Sie wußte, daß er auf eine Erklärung von ihr wartete, aber wie sollte sie Adam Hayhoe begreiflich machen, daß sie ganz von vorn anfangen mußte, daß sie sich vorkam wie ein Blatt Papier, auf dem alles, was früher einmal darauf gezeichnet gewesen war, ausradiert worden war? Wie sollte sie ihm begreiflich machen, daß von der früheren Helen nichts übrig war, daß er eine Frau zu heiraten wünschte, die kaum mehr war als eine leere Hülle?
    Sie hörte den Korbsessel knarren, als Adam aufstand. Sie sah, als sie aufblickte, wie verletzt er war. »Ich weiß nicht, was ich will, Adam«, sagte sie heftig. »Ich weiß es einfach nicht.« Sie berührte seinen Arm. »Bitte haß mich jetzt nicht, Adam. Das könnte ich nicht ertragen.«
    Nachdem er gegangen war, kehrte sie in ihr Zimmer zurück. Sie konnte nicht mehr zeichnen, und ihr Strickzeug blieb unberührt liegen. Ein fürchterlicher innerer Schmerz quälte sie, als hätte ihr Herz einen Riß bekommen. Sie setzte sich ans Fenster und versuchte sich klarzuwerden. War es möglich, daß sie immer in der falschen Richtung gesucht hatte? Daß die Liebe immer dagewesen war? Daß ihre romantische Sehnsucht nach Geoffrey, nach Hugh, nach Maurice Page nichts als Täuschung gewesen war, ein Strohfeuer, ein Irrlicht?
    Als Dr. Schneider bei ihr klopfte, warf Helen einen Blick auf die Uhr und sah, daß eine Stunde vergangen war.
    »Sie sind nicht zum Mittagessen gekommen, Helen.«
    »Ich war nicht hungrig.«
    »Bedrückt Sie etwas?«
    Sie schüttelte stumm den Kopf. Sie wollte nur in Ruhe gelassen werden. Aber Dr. Schneider ließ nicht locker.
    »Hat Ihre Niedergeschlagenheit mit dem Herrn zu tun, der Sie besucht hat?«
    »Er hat mir einen Heiratsantrag gemacht, wenn Sie es unbedingt wissen müssen«, sagte sie ärgerlich.
    »Und?«
    »Und ich habe ihm einen Korb gegeben.«
    »Aha. Nun, das ist Ihr gutes Recht, Helen. Sie haben das Recht, Ihre eigene Wahl zu treffen.«
    »Ich will Adam ja heiraten.« Sie schlug zornig mit der Faust auf den Tisch.
    Nach einem kurzen Schweigen sagte Dr. Schneider behutsam: »Aber Sie haben ihn abgewiesen. Dafür müssen Sie doch einen Grund gehabt haben, Helen.«
    Sie hatte Mühe, es in Worte zu fassen. »Er hat keine Ahnung. Er hat keine Ahnung, daß ich nichts bin. Ich war schon vorher nicht viel, aber jetzt bin ich noch weniger. Er sieht in mir immer noch die liebe kleine Helen. Pflichtbewußt und gehorsam. Eine gute Tochter. Fromm und gottesfürchtig.« Ihre Stimme klang bitter.
    »Glauben Sie das wirklich?«
    Der Zorn verflog plötzlich. »Ach – ich weiß nicht. Ich weiß gar nichts mehr. Ich weiß nichts, und ich habe nichts geleistet.«
    Dr. Schneider nahm Helens Hand. »Dann ändern Sie es, Helen. Sie besitzen die Macht, es zu ändern. Sie müssen entscheiden, was Sie tun wollen, und dann müssen Sie es tun. Es ist gleich, was Sie tun, Hauptsache, Sie haben das Gefühl, daß es für Sie das richtige ist.«
    Mit der Zeit merkte Robin, daß die Kollegen im Lazarett ihr stets die einfachsten Aufgaben überließen. Sie fand das demütigend; flüchtig dachte sie an Protest, aber ihr Zorn war von kurzer Dauer, erstickte in einer Apathie, die ihr zur Gewohnheit geworden war. Sie mußte sich eingestehen, daß sie ungeschickt und unzuverlässig geworden war, daß die anderen Schwestern stillschweigend ihre Fehler vertuschten und sie deckten, wenn sie zu spät aus der Mittagspause zurückkam. Ihr stillschweigendes Verständnis zwang sie, ihre eigene Nützlichkeit in Frage zu stellen, doch an ihren Schmerz gelangte es nicht. Robin konnte sich nicht vorstellen, mit diesen Männern und Frauen, die genauso erschöpft und kriegsmüde waren wie sie, ihr tiefes Elend zu teilen. Was sie verloren hatte, trennte sie von ihnen. Sie konnte ihre Güte nicht ertragen. Am Ende jedes Tages zog sie sich in den stillen Küchengarten hinter dem Bauernhaus zurück, da sie fürchtete, die Güte könnte den dünnen Schutzpanzer, mit dem sie sich umgeben hatte, durchbrechen.
    Im Hof zwischen staubigen Paprika- und Knoblauchstauden sitzend, hörte sie Schritte, und als sie sich umdrehte, sah sie Dr. Mackenzie kommen.
    Er blieb bei ihr stehen. »Ich gehe nächste Woche. Meine Dienstzeit ist

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