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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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würde es ihr erlauben, ihn zu betrügen. Er hat's nur ein bißchen anders ausgedrückt. Nan hat mich gebeten, sie nicht mehr zu besuchen. Und es ist alles meine Schuld.«
    Ihr Gesicht war blaß und verschlossen. Heftig fügte sie hinzu: »Na los, sag's schon. Ich hab mich eingemischt. Ich hab mich in das Leben anderer Leute eingemischt.«
    Er zuckte die Achseln. »Du konntest nicht wissen, was passieren würde.« Aber für sich dachte er, daß sie versucht hatte, die Regeln des einen England auf ein anderes, ganz anderes England anzuwenden.
    Er hörte sie murmeln: »Ich hätte erst mal hinhören sollen. Ich presche immer gleich vor, nicht wahr? Ach, und ich hab solche Schwierigkeiten im Büro, Joe. Ich habe eine Akte verlegt …«
    Sie setzte sich wieder in Bewegung, um zur Untergrundbahn zu gehen. Er blieb an ihrer Seite. Die herbe Oktoberluft tat ihm gut nach dem stickigen Restaurant.
    »Ich glaube allmählich, daß ich zu gar nichts nütze bin.«
    Er sagte: »Hast du vor, wieder nach Hause zu gehen? Ich meine – zu deinen Eltern?«
    Sie blieb abrupt stehen und starrte ihn verblüfft an. »Nach Hause? Natürlich nicht. Weshalb sollte ich das denn tun?«
    »Weil ein Mädchen wie du so reagieren würde.«
    Im ersten Moment glaubte er, sie würde ihm ins Gesicht schlagen. Doch sie schob nur mit wütendem Blick ihre Hände in die Taschen und zischte: »Du bist der arroganteste und beleidigendste Mensch, der mir je begegnet ist.«
    Er wandte sich von ihr ab und hörte sie sagen: »Und was ist mit dir, Joe? Wenn Clodie sich nach was anderem umsieht – wenn ihr keine Druckaufträge mehr bekommt – oder wenn du vom Bierzapfen die Nase voll hast – gehst du dann wieder nach Hause?«
    Er errötete vor Zorn. »Natürlich nicht.«
    »Weshalb sollte es dann bei mir anders sein?«
    Er schüttelte den Kopf. »Keine Ahnung.«
    »Weil ich eine Frau bin – so ist es doch, Joe?«
    Damit ließ sie ihn stehen und verschwand im schwarzen Tor des Untergrundbahnhofs. Diesmal folgte er ihr nicht. Er stellte sich in die Türnische irgendeines Geschäfts, zündete sich eine Zigarette an, lauschte den Geräuschen der Straße und den lauten Stimmen der Zeitungsverkäufer, die die letzten Schlagzeilen brüllten. Irgend etwas über die New Yorker Börse; er machte sich nicht die Mühe, genauer hinzuhören. Er wußte, daß er recht hatte, daß Robin nicht mehr lange durchhalten würde. Er hätte ihr, dachte er mit Bedauern, alles mögliche sagen können. Eine Mischung aus Klischees wie: »Jeder macht mal einen Fehler« und andere Dinge, auf die sie nicht hören würde, wie zum Beispiel: »Verlieb dich nicht in Francis.« Aber er hatte geschwiegen. Er wußte seit langem, daß die Menschen immer nur das hörten, was sie hören wollten. Und außerdem war er mit seinen zweiundzwanzig Jahren, ohne anständige Arbeit, ohne Zuhause oder Familie, rettungslos in eine Frau verliebt, die ihm bei jedem zweiten Besuch die Tür vor der Nase zuschlug, so ziemlich der letzte, um gute Ratschläge zu geben.
    In den ersten Monaten ihrer Ehe war Maia ganz von der Freude an ihren Besitztümern in Anspruch genommen – Freunden und Verwandten ihr neues Heim zu zeigen und sich an ihrem Neid zu weiden oder auch nur durch die Zimmer und den Garten zu streifen, hier mit Genuß über den Seidenmoiré eines Polstersessels zu streichen, dort den Duft einer Rose einzuatmen. Das größte Vergnügen jedoch bereitete es ihr, das Kaufhaus zu besuchen. »Möchten Sie nicht Platz nehmen, Mrs. Merchant? Soll ich Mr. Merchant holen?« Sie hatte geglaubt, die Wonne über ihren Reichtum würde ewig anhalten. Und sie fand all diese Dinge in der Tat immer noch begehrenswert, ja, brauchte sie, aber irgendwie reichten sie ihr nicht. Es war ja auch nicht ihr Reichtum, sondern Vernons.
    Sie durfte die Blumen arrangieren, aber nicht die Zimmer einrichten. Sie durfte das Menü für das Abendessen bestimmen, aber nicht die Gäste aussuchen. Sie durfte kleine Ausflüge zu ihrer Schneiderin oder zum Friseur machen, aber nicht allein übers Wochenende wegfahren. Vernon bestimmte die Regeln, ohne die Stimme zu erheben und im allgemeinen ohne Gewalt zu gebrauchen.
    Maia hatte gelernt, einen ganz bestimmten Ausdruck in den rotbraunen Fuchsaugen ihres Mannes zu erkennen: Einen Ausdruck, der sie klar und deutlich daran erinnerte, was es sie kosten würde, auf ihrem eigenen Willen zu bestehen. Dieser Blick erregte und reizte sie; sie war klug, sie war schön, und sie war es gewöhnt, von Männern

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