Das Winterhaus
zu bekommen, was sie wollte. Ihr reger Verstand verlangte nach anspruchsvollerer Herausforderung, als es die Wahl zwischen blauer und cremefarbener Seide oder zwischen Vichy soisse und geeister Gurkensuppe war.
Sie versuchte an Vernons Geschäften Anteil zu nehmen. Sie hatte irgendwo, in einer von Margerys schrecklichen Zeitschriften vielleicht, gelesen, daß eine Ehefrau sich für die Arbeit ihres Mannes interessieren sollte. Außerdem faszinierte sie das Kaufhaus: Ihr fiel auf, daß Vernon ihr durchaus zuhörte, wenn sie sich über die Abteilung für Damenmoden oder die Parfümerieabteilung bei Merchant äußerte. Sie schlug vor, in der Möbelabteilung die verschiedenen Einzelstücke zu kompletten Zimmereinrichtungen zu gruppieren, und als sie das nächstemal ins Kaufhaus kam, standen die Sofas nicht mehr in langen Reihen hintereinander, die Lampen waren nicht mehr in die Elektroabteilung verbannt. Vernon gratulierte ihr. Die Verkaufszahlen waren gestiegen.
Wenn sie aber über Gewinn und Verlust, über Werbekampagnen und Konkurrenzunternehmen sprechen wollte, reagierte er nicht. Solche Dinge waren Männersache. Er prüfte sogar ihre Haushaltsbücher.
Gelangweilt, begann sie an den Schranken zu rütteln, die er ihr setzte. Daß er sie ein- oder zweimal körperlich angegriffen hatte, machte sie wütend, aber es machte ihr noch keine Angst. Sie war daran gewöhnt, ihren Kopf durchzusetzen; ihre Eltern mochten sie vernachlässigt haben, aber sie hatten ihr fast alles durchgehen lassen. Sie kleidete sich also, wie es ihr gefiel, auch wenn Vernon nicht damit einverstanden war; sie kam nach einem Besuch bei Helen mit Verspätung nach Hause; und eines Abends erlaubte sie sich, mit einem anderen Mann zu flirten.
Es hatte den ganzen Tag geregnet, sie hatte nicht einmal in den Garten hinausgehen können. Sie hatte Vernon gebeten, ihr ein Automobil zu kaufen – es war lächerlich, daß sie keinen eigenen Wagen hatte –, und er hatte abgelehnt. Maia nahm ihm das übel. Am Abend gaben sie ein Essen, und einer der eingeladenen jungen Männer war wirklich recht attraktiv. Es war nur ein sehr oberflächlicher Flirt – ein Spiel, wie sie es mit Lionel Cummings gespielt hatte, ehemals Mamis Tennispartner, jetzt Mamis zweiter Ehemann. Ein Lächeln, eine flüchtige Berührung, eine schmeichelhafte Antwort auf seine Worte. Sie spürte, daß Vernon verärgert war, und freute sich darüber, weil sie meinte, ihm so seine Knausrigkeit am Morgen vergelten zu können. Es war ihr eine Genugtuung zu wissen, daß er vor den Gästen keine Kritik an ihrem Verhalten üben konnte. Gegen Ende des Abends fühlte sie sich weniger eingeengt, und ihre Befürchtung, mit der Ehe automatisch langweilig und unattraktiv geworden zu sein, hatte ein wenig nachgelassen. Vernon würde nachher vielleicht böse sein – nun, dann würde sie ihm um den Bart streichen, und schließlich würde er doch versprechen, ihr ein Automobil zu kaufen.
Als der letzte Gast gegangen war, fragte der Butler, ob er ihnen im Salon noch einen Brandy servieren solle. Vernon lehnte ab, entließ ihn und goß sich statt dessen selbst ein großes Glas Brandy ein. Er hatte den ganzen Abend getrunken: Gin und Wermut, Rotwein, Weißwein, verschiedene Liköre. Maia nahm ihre seidene Stola.
»Ich glaube, ich mache noch einen Spaziergang im Garten. Es hat endlich zu regnen aufgehört.«
Vernon hielt sie am Handgelenk fest. »Es ist Zeit, zu Bett zu gehen, Maia.«
Sie wollte widersprechen, doch als sie sein Gesicht sah, verkniff sie es sich. Sie folgte ihm die Treppe hinauf.
Im Schlafzimmer zog er sein Jackett aus und sagte: »Weißt du, wer dieser junge Mann war, Maia?«
»Welcher junge Mann?«
»Der junge Mann, an den du dich so herangemacht hast, natürlich.«
»Herangemacht!« wiederholte sie gereizt. »Was ist das für ein vulgärer Ausdruck.«
»Dann sagen wir eben, du hast ihm schöne Augen gemacht. Es ist mir gleich, wie du es ausdrücken willst. Ich habe dich gefragt, ob du weißt, wer er ist.«
»Léonard – Léonard irgendwas …«
»Ich will nicht seinen Namen wissen, ich will wissen, ob du weißt, wer er ist.«
Sie hatten jede Woche eine Schar von Vernons Geschäftsfreunden zu Gast. Maia hatte Schwierigkeiten, einen vom anderen zu unterscheiden. »Jemand von der Bank – oder vom Golfklub …«
»Er ist einer meiner Abteilungsleiter. Ein intelligenter Bursche – ich habe ihn erst vor vierzehn Tagen befördert. Jetzt werde ich einen Grund finden müssen, ihn
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