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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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du doch auch, nicht wahr, Maia? Eine hochklassige Hure.«
    Sie konnte nicht sprechen. Tränen schossen ihr in die Augen. Vorher hatte er sie nur geschlagen und ein bißchen herumgestoßen, jetzt jedoch war der Schmerz so stark, daß alles vor ihren Augen verschwamm und sie um Atem ringen mußte. »Laß mich los, Vernon«, stieß sie hervor. »Du tust mir weh. Du renkst mir die Schulter aus –«
    »Oh, das darf keinesfalls passieren. Da müßten wir ja den Arzt rufen, und das ist ausgeschlossen.« Er ließ sie so plötzlich los, daß sie zu Boden fiel. Erleichtert glaubte sie, es sei vorbei. Aber dann sagte er: »Nimm deinen Schmuck ab, Maia.«
    Sie sah zu ihm hinauf. Er hatte sich wieder in den Sessel gesetzt. »Los, Maia, beeil dich«, sagte er leise, und sie gehorchte ihm. Ihre Hände zitterten, ihr Ohrring blieb in ihrem Ohrläppchen hängen, ihre Kette hätte sie sich am liebsten einfach abgerissen.
    »So ist es besser. Die Kleider stimmen natürlich nicht. Zu teuer.« Er stand auf und riß sie in die Höhe. Er begann ihr Kleid aufzuknöpfen. Es fiel zu Boden, ein Häufchen schwarzer Spitze. Dann schnürte er ihr das Mieder auf, zerriß die zarten Bänder und die Spitzenrüschen. »Ich kauf dir Kleider, wie sie Strichmädchen tragen. Und dein Lippenstift ist viel zu dezent. Los, leg noch welchen auf – und etwas von diesem schwarzen Zeug rund um die Augen.« Nackt setzte sie sich an den Toilettentisch. Ihre Hand zitterte so stark, daß sie den Lippenstift verschmierte, und das Gesicht, das ihr aus dem Spiegel entgegensah, war nicht mehr ihres, sondern häßlich und gemein.
    »Leg dich aufs Bett, Maia.«
    »Vernon! Bitte!«
    Er lächelte mit seinen kleinen spitzen Zähnen.
    »Dafür habe ich dich gekauft.« Sie hatte diesen Blick schon früher in seinen Augen gesehen. Diesen gierigen, lüsternen Blick, kurz bevor er sie das erstemal geschlagen hatte.
    »Leg dich aufs Bett, Maia«, wiederholte er, und sie gehorchte.
    Nach dem katastrophalen Abend im Restaurant mied Robin Francis und Joe. Joes Unterstellung, daß sie zu ihren Eltern zurücklaufen würde, sobald sie auf Schwierigkeiten stieße, kränkte sie tief, und was Francis anging … Wenn sie an Francis dachte, fühlte sie sich verwirrt. Es hatte ihr nicht gefallen, ihn mit Clodie flirten zu sehen. Und es hatte ihr auch nicht gefallen, sich mit Clodie zu vergleichen. Ärgerlich dachte sie, daß sowohl Francis als auch Joe sie häufig so behandelten, als wäre sie zwölf und nicht neunzehn. Es plagte sie, daß sie nach fast einem Jahr fern von zu Hause weder eine interessante Arbeit gefunden hatte noch ins Ausland gereist war, noch ihre Unschuld verloren hatte. So gern hätte sie Maia und Helen geschrieben, um mit ihnen wenigstens eines dieser Ereignisse zu feiern, die ihnen als Meilensteine im Leben einer Frau galten. Besonders Maia, die mit ihrem Riesenhaus und reichen Ehemann ziemlich selbstgefällig und eklig geworden war.
    Sie vermißte die ILP-Versammlungen und die improvisierten Abende in der Souterrainwohnung in Hackney. Entschlossen, sich nicht unterkriegen zu lassen, begann sie, in den Zeitungen nach Arbeitsangeboten zu schauen, sie wollte unbedingt etwas Interessanteres finden. Sie besuchte einen Maschineschreibkursus und konnte am Ende des Monats den Satz: »Der flinke braune Fuchs sprang über den faulen Hund« mit geschlossenen Augen schreiben. Dr. Mackenzie bat sie, noch einen Abend zusätzlich in die Klinik zu kommen, um ihm beim Ordnen der Notizen und Akten zu helfen, die er im Rahmen seines Forschungsprojekts über Armut im East End zusammengetragen hatte. Sie tat es gern. Die Arbeit interessierte sie und ging ihr daher leicht von der Hand.
    Eines Abends, als Robin in ihre Wohnung zurückkehrte, hörte sie Stimmen aus dem vorderen Salon. Die Stimme der jüngeren Miss Turner und die eines Mannes.
    Francis. Robin nahm den Brief, der auf dem Garderobentischchen auf sie wartete, stopfte ihn in die Tasche und öffnete die Tür zum Salon.
    »Robin, Darling!«
    Es war fast ganz dunkel im Zimmer, Licht spendete nur eine kleine Petroleumlampe in der Mitte des Tischs. Francis sprang auf und küßte sie auf beide Wangen.
    »Emmeline hat mir gerade ihre tolle Alphabettafel gezeigt. Ich habe es richtig mit der Angst zu tun bekommen. Ich dachte, gleich würden alle möglichen Gespenster aus meiner zweifelhaften Vergangenheit auftauchen und mich holen kommen.« Er nahm Robins Hand. »Ich habe Emmeline erklärt, daß wir dieses Wochenende zu dem Fest im

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