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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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Underwood holen? Ich würde die beiden gern sprechen. Und Sie natürlich auch.«
    Mr. Twentyman war der Chefeinkäufer, Mr. Underwood der Hauptbuchhalter. Maia lächelte Liam Kavanagh freundlich an. »Selbstverständlich, Mrs. Merchant. Möchten Sie im Personalraum warten?«
    »Eher nicht, Mr. Kavanagh. Das Büro meines verstorbenen Mannes wäre ein angemessenerer Ort für diese Besprechung.«
    Sie bemerkte einen Schimmer von Irritation in seinem Gesicht, den er jedoch rasch verbarg. In Vernons Büro sah sie den Grund. Liam Kavanaghs Akten und Schreibsachen lagen auf dem Schreibtisch ausgebreitet; sein Hut und sein Mantel hingen am Garderobenständer. Sie nahm es ihm nicht übel. Sie hätte an seiner Stelle genauso gehandelt.
    Als die drei Männer da waren, gab Maia jedem die Hand und nahm dann in dem Sessel hinter Vernons Schreibtisch Platz.
    »Zunächst einmal, meine Herren, möchte ich mich bei Ihnen für Ihre gewissenhafte Arbeit in dieser schwierigen Zeit bedanken. Ich bin überzeugt, daß Sie Ihr Bestes getan haben, um das Kaufhaus Merchant im Sinne meines Mannes weiterzuführen.«
    Mr. Twentyman drückte gewandt und respektvoll sein Beileid aus; Mr. Underwood hüstelte und machte ein gelangweiltes Gesicht. In Liam Kavanaghs blassen blauen Augen stand ein Ausdruck von … Maia konnte nicht recht sagen, was es eigentlich war.
    Er sagte: »Ich denke, Sie werden feststellen, daß Ihr Kapital zufriedenstellend verwaltet worden ist, Mrs. Merchant.«
    »Ich zweifle nicht daran, Mr. Kavanagh.«
    »Und ich denke, Sie werden ferner feststellen, daß das Kaufhaus Merchant auch weiterhin in sicheren Händen ist.«
    Sie strahlte ihn an. »Wir scheinen völlig einer Meinung zu sein, Mr. Kavanagh.«
    »Mr. Underwood wird wie bisher ständig mit Ihrem Buchhalter Verbindung halten, Mrs. Merchant.«
    Maia legte ihre Hand auf die Akten auf dem Schreibtisch. »Oh, ich denke, das wird nicht nötig sein, Mr. Kavanagh. Es wird viel leichter sein für Mr. Underwood, einfach bei mir anzuklopfen.«
    Die drei Männer starrten sie an. Nur in Liam Kavanaghs Gesicht entdeckte sie Begreifen, mit Zorn gemischt.
    »Man kann ja ein Kaufhaus nicht von zu Hause aus führen, nicht wahr?« fügte sie leichthin hinzu. »Da entginge einem doch zuviel.« Der Hauptbuchhalter, dem endlich ein Licht aufging, sagte: »Sie wollen das Kaufhaus führen, Madam? Das kann doch nicht …« Er schwieg.
    »O doch, es ist mein Ernst, Mr. Underwood«, sagte Maia freundlich. »Das Kaufhaus Merchant gehört jetzt mir, und ich werde dafür sorgen, daß es floriert. Sie alle werden in Zukunft mir berichten, genau wie Sie meinem Mann berichtet haben, als er noch lebte. Als nächstes würde ich gern mit den Abteilungsleitern und den Einkäufern sprechen. Würden Sie das bitte arrangieren, Mr. Twentyman? Und schicken Sie mir Miss Dawkins herein, bitte, Mr. Underwood.«
    Maia sah auf ihre Uhr. »Bis Mittag müßte ich mit diesen Vorbesprechungen eigentlich fertig sein. Reicht Ihnen die Zeit, Mr. Kavanagh, um Ihre Sachen aus meinem Büro zu entfernen?«
    In diesem Herbst suchte Robin die schlimmsten Häuser in Stepney auf. Es fiel ein feiner Regen, und sie hatte ihren Schirm im Bus stehengelassen, aber sie vergaß das Wetter, während sie sich systematisch ein Haus nach dem anderen in der schmutzigen kleinen Straße vornahm. Die Reihenhäuser waren Privatbesitz, keines hatte fließendes Wasser, für alle zwölf gab es lediglich zwei Wasserhähne und zwei Abflüsse im gemeinsamen Hof. Zwei grauenvolle Aborte standen im Regen hinter den Häusern.
    Die Tür des letzten Hauses in der Reihe wurde ihr von einem barfüßigen Kind in einem verdreckten, abgeschnittenen Hemd geöffnet. Robin roch schmutzige Wäsche, ungewaschene Kinder und Feuchtigkeit. Eine Frau kam schlurfend zur Tür.
    Robin erklärte ihr den Zweck ihres Besuchs. »Es handelt sich nur um ein paar kurze Fragen. Ich werde Sie nicht lange aufhalten.«
    Ins Haus gebeten, sah sie sich im Zimmer um. Als Tische dienten Orangenkisten, als Sitzgelegenheiten mit Stroh gestopfte Säcke. Der Säugling und das kleine Kind, das ihr die Tür geöffnet hatte, wirkten grau und apathisch. Die Wände waren feucht, durch das Fenster drang Regenwasser ein. Obwohl im Kamin ein kleines Feuer brannte, war es kalt im Zimmer.
    Rasch ging Robin ihre Fragen durch. Die Frau hieß Mrs. Lewis, ihr Mann, Hafenarbeiter, war seit sechs Monaten arbeitslos wegen einer Rückenverletzung. Mr. Lewis war einunddreißig Jahre alt, seine Frau

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