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Das Winterhaus

Das Winterhaus

Titel: Das Winterhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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beklemmend auf sie, daß sie kaum atmen konnte. Sie wußte, daß ihr Leben sich seit Anfang des Jahres unwiderruflich in zwei geteilt hatte und daß die dunkle Unterströmung immer unter der glitzernden glatten Oberfläche verborgen bleiben mußte. Sie fragte sich, als sie die Autotür öffnete, ob es ihr wirklich auf Dauer gelingen würde, den Schein zu wahren.
    Doch nachdem sie die Begrüßung der Dienstboten, vor der ihr gegraut hatte, hinter sich gebracht hatte, nachdem sie die Neugier in ihren Augen hatte aufleuchten und erlöschen sehen, merkte sie, daß sie ihr Selbstvertrauen wiedergewonnen hatte. Es war ein schwieriges Jahr gewesen, aber sie hatte es überstanden. Während sie durch die Zimmer ging, die große, geschwungene Treppe hinaufstieg, wurde ihr bewußt, daß alles anders war. Er war nicht da. Seine Abwesenheit veränderte alles von Grund auf, machte das Haus zu ihrem, gab ihm befreiende Weite.
    Am Morgen setzte sie sich mit ihrem Buchhalter und ihrem Anwalt zusammen, am Nachmittag fuhr sie in die Fens hinaus, um Helen zu besuchen. Nachdem sie Thorpe Fen hinter sich gelassen hatten, fuhr sie zum langen, geraden Damm des Hundred Foot Drain . Dort parkte sie und nahm eine Thermosflasche mit Tee aus dem Handschuhfach.
    Helen klopfte bewundernd auf das Armaturenbrett. »Gehört es dir?«
    Maia nickte. »Ist es nicht ein Prachtstück? Ich bin mit ihm durch ganz Frankreich und Italien gegondelt.«
    »Hast du keine Angst gehabt?«
    »Vor solchen Dingen hab ich nie Angst.« Maia schenkte zwei Becher Tee ein.
    Helen umschloß den Becher mit beiden Händen. »Du hast das mit Vernon doch bestimmt immer noch nicht verwunden, Maia. Es war so tragisch, daß das passieren mußte.«
    Tränen des Mitleids standen in Helens Augen. Maia sagte entschieden: »Ich will nicht darüber sprechen.«
    »Natürlich, das verstehe ich. Ich wollte dich nicht traurig machen –«
    »Helen, Darling, du hast mich nicht im geringsten traurig gemacht.« Sie berührte flüchtig Helens Hand.
    »Dann sollten wir einen Toast ausbringen. Du bist ins Ausland gereist, Maia – das ist einer der Meilensteine im Leben einer Frau.«
    Maia zwinkerte verwirrt. »Ach, das hatte ich ganz vergessen. Es scheint ewig her zu sein.« Sie wollte schon sagen, wie kindisch, als sie Helens Gesicht sah und statt dessen lächelnd ihren Becher hob.
    »Dann auch auf dich, Helen. Auf deine Schneiderei.«
    Helens Gesicht verzog sich unglücklich. »Ach – das. Weißt du, das hab ich aufgegeben. Ich bin mit dem Geld so durcheinandergekommen. Hugh Summerhayes war zwar unheimlich nett und hat mir geholfen, aber ich wollte ihn nicht ständig fragen. Und im Augenblick scheinen sich die meisten Leute sowieso keine neuen Kleider leisten zu können.«
    »Und die, die das Geld dazu haben, kaufen sie fertig, vermute ich«, sagte Maia nachdenklich. Dann zwang sie sich zu fragen: »Und Robin? Hast du von ihr gehört?«
    »Sie war im Sommer eine Woche zu Hause. Sie hat eine neue Arbeit und hat unheimlich viel zu tun.«
    Maia hörte nur mit halbem Ohr Helens Bericht über Robins Arbeit zu. Im stillen dachte sie, daß Robin immer noch die Welt verändern wollte, ein völlig sinnloses Unterfangen. Maia wußte, daß die Welt unveränderbar war und daß die Reichen, die Klugen und die Schönen sich immer auf Kosten der Armen und der Dummen durchsetzen würden. Und sie dankte aufatmend dem Gott, an den sie nie geglaubt hatte, für Robins fortdauernde Loyalität.
    Nicht mit furchtsamen Bedenken, sondern mit gespannter Erwartung fuhr Maia am nächsten Morgen zum Kaufhaus. Sie genoß das Aufsehen, das sie erregte, als sie durch die breite zweiflügelige Tür trat, und ein flüchtiger Blick in einen der blitzenden Spiegel der Parfümerieabteilung zeigte ihr noch einmal, was die anderen sahen: Eine schlanke, elegante Frau mit heller Haut, die vom Sommer auf dem Kontinent nur leicht gebräunt war, unaufdringlich und mit exquisitem Geschmack gekleidet.
    Als sie die erste Etage erreichte, hatte Liam Kavanagh, der Geschäftsführer, ein stämmiger kleiner Ire mit blauen Augen, bereits auf geheimnisvollen Wegen von ihrer Ankunft erfahren. Er begrüßte sie, als sie auf dem Weg zu den Büros durch die Damenbekleidungsabteilung ging.
    »Mrs. Merchant! Wie freundlich von Ihnen vorbeizukommen. Darf ich Ihnen einen Stuhl holen … eine Tasse Tee …?«
    »Danke, nein, Mr. Kavanagh. Oh« – Maia runzelte kaum wahrnehmbar die Stirn –, »da ist doch etwas. Würden Sie Mr. Twentyman und Mr.

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