Das wird mein Jahr
gesagt hatte, ihr Mann sei die Woche über nicht da. Bei dem Gedanken breiteten sich angenehme Fantasien in meinem Kopf aus, aber … Am Ende war sie einfach nur nett, und ich dachte gleich, sie will mich anmachen. »Auf alten Schiffen lernt man’s Segeln«, hatte Andi mal vor Jahren gesagt und meinte damit Susi, die Ex-Freundin seines Bruders. Kurz nachdem Jens ausgereist war, hatte sie Andi seiner Jungfräulichkeit beraubt, um sich zu trösten. Er zehrte lange davon und gab in der Clique ungeniert damit an.
Mit einem Ruck stand ich auf, ging zum Telefon und wählte Elisabeths Nummer.
»Hallo, Friedemann. Schön, von dir zu hören.« Die Leichtigkeit in ihrer Stimme war verunsichernd.
Ich versuchte ebenfalls so locker wie möglich zu klingen. »Zufällig habe ich nachher in deiner Gegend zu tun und könnte dir die Schallplatten vorbeibringen, wenn es recht ist.« Ich bekam feuchte Hände.
»Ja, gerne, komm vorbei. Ich bin da«, antwortete sie. Ich sprang auf, duschte und stylte meine Frisur.
Die Schallplatten hatte ich in einer Aldi-Tüte dabei. Bevor ich klingelte, spuckte ich meinen Kaugummi in den Vorgarten. Elisabeth öffnete die Haustür und schien mir noch schöner als bei unserem letzten Treffen. Sie trug ein schwarzes Sommerkleid mit einem Ausschnitt, der ihr Dekolleté besonders gut zur Geltung brachte, und ich wünschte mir, dass sie das nur für mich rausgesucht hätte. »Komm rein, Friedemann. Magst du einen Schluck Wein?«
Ich schaute flüchtig auf meine Uhr, obwohl ich überhaupt keinen Termin hatte. »Ja, warum nicht?«
Wir gingen ins Wohnzimmer. Aus der Hifi-Anlage ertönte leise »The Unforgettable Fire« von U2. Elisabeth schenkte mir ein Glas Rotwein ein und nahm in einem schwarzen Ledersessel Platz. Ich setzte mich ihr gegenüber. »Die Geranien blühen ja schon«, sagte ich mit Blick auf einige Pflanzenkübel draußen auf der Terrasse.
»Schön, nicht? Die kommen jedes Jahr wieder. Jedes Jahr ein bisschen schöner.« Sie schmunzelte und prostete mir zu.
Bei den Partys in Grünau saß man für Anbaggertouren meist auf der Couch dicht nebeneinander, damit man nach Erreichen des dafür nötigen Alkoholpegels direkt mit dem Knutschen anfangen konnte. Doch hier und jetzt saß ich gut anderthalb Meter von Elisabeth entfernt in einem niedrigen Sessel ohne Armlehnen, und mir fiel kein plausibler Grund ein, aus dem ich jetzt aufstehen und mich zu ihr setzen könnte. Wieso hatte sie sich nicht auf das Sofa gesetzt? Das wäre ein Signal für mich gewesen. Aber so … Gab es hier überhaupt ein Sofa? Ich schaute mich im Raum um, konnte aber keins entdecken.
»Was machst du eigentlich beruflich?«, fragte ich sie, weil mir nichts Besseres einfiel.
»Ich habe vor Ewigkeiten Kunstgeschichte studiert, an der Uni in Düsseldorf. Jürgen, also mein Mann, ist dann in Stuttgart in eine Anwaltskanzlei eingestiegen, spezialisiert auf Patentrechte und so was. Bietet sich an in einer Stadt mit so vielen ehrgeizigen Menschen und Erfindern.« Das Wort »ehrgeizig« sagte sie betont ironisch. »Deswegen sind wir hierher gezogen. Danach kam die Heirat, das Auto, der Kredit, das Haus und so weiter. Mittlerweile ist er Partner.« Elisabeth nippte an ihrem Rotwein, und ich trank auch einen Schluck, obwohl mir jetzt ein kühles Bier lieber gewesen wäre. »Die letzten Jahre habe ich hier in einer Galerie gearbeitet, aber die ist vor einigen Monaten nach München umgezogen. Momentan bin ich also offiziell Hausfrau und mein Mann kann mich von der Steuer absetzen.« Wieder nippte sie an ihrem Rotweinglas und schaute mich dabei an. »Und du? Was hast du noch mit deinem Leben vor?«
»Gute Frage.« Ich ruckelte auf dem Sessel hin und her, er war nicht sonderlich bequem.
»Willst du in zehn Jahren Gärtnermeister sein und deinen eigenen Weinberg haben?«
»Nee, eher wär ich der neue Bono Vox, mit ein paar Millionen auf dem Konto.« Morrissey würde Elisabeth wohl kaum kennen.
»Nicht Elvis?« Ihr Blick prüfte meine Reaktion auf ihre kleine Stichelei.
»Elvis ist tot«, sagte ich. »Aber meine Zeit kommt noch.«
»Da bin ich mir ganz sicher.« Elisabeth strich sich durch die Haare, als wollte sie mich damit auffordern, ihr beimKleidausziehen zu helfen. Nein, das bildete ich mir nur ein. Ich trank den Rotwein zügig aus.
»Nicht so hastig, Friedemann. Das ist ein 1985er Capannelle. Den muss man genießen.« Elisabeth stand auf und schenkte mir nach, während ich bemüht unauffällig die Form ihrer Brüste
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