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Das wird mein Jahr

Das wird mein Jahr

Titel: Das wird mein Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Lange
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nach hinten gehen sollten, um reden zu können, und ich setzte mich in Bewegung, fast wie ferngesteuert. Alles um mich herum drehte sich, die Musik dröhnte in meinen Ohren, irgendwie schien diese ganze Situation ziemlich surreal. Wo war ich eigentlich gerade? Ich wollte – ich sollte! – wütend auf sie sein, sie anschreien, ihr Vorwürfe machen und sie verachten, dafür, dass sie mich damals so verarscht hatte, aber aus meinem Mund kam: nichts. Wir lehnten an der hinteren Wand der Halle und sahen uns schweigend an. Ich musste plötzlich an Elisabeth denken, wie cool ich ihr gegenüber aufgetreten war, und versuchte, meine Gefühle wieder unter Kontrolle zu kriegen.
    »Hallo, Friedemann. Das ist ja ein Zufall«, sagte Anke nach einer ganzen Weile und lächelte ironisch. Ich spielte das Spiel mit.
    »Hallo, Anke. Lange nicht gesehen«, sagte ich ganz entspannt. Zumindest versuchte ich das.
    »Eigentlich wusste ich, dass ich dich hier treffen würde«, erwiderte Anke, während sie mich anschaute. Ich verstand nicht so recht wie sie das meinte. »Du, Friedemann …«, sie suchte plötzlich ernsthaft nach Worten, das war ihr anzusehen. »Es tut mir leid, wie das damals gelaufen ist, meine Eltern, mein Vater …« Jetzt würde wohl endlich die Erklärung kommen für all diesen Kram, über den ich so endlos lange nachgedacht hatte. Mich wunderte, dass sie von sich aus darauf zu sprechen kam.
    Doch jetzt wollte ich der Coole sein. Oder vielleicht einfach nur irgendwie erwachsen. Ich legte meinen Zeigefinger vorsichtig auf ihre Lippen und schüttelte stumm meinen Kopf. »Vielleicht nach dem Konzert, okay?«, sagte ich. Sie nickte stumm. Ich hatte mich wieder im Griff. Für den Augenblick jedenfalls.
    Wir schauten wieder zur Bühne. Nah nebeneinander standen wir da, obwohl es hier hinten gar nicht mehr so eng war. Morrissey hatte gerade sein Hemd ausgezogen und warf es in die Menge. Ich musste lachen als ich sah, wie unzählige Arme danach griffen. Ich musste auch lachen bei dem Gedanken, wer hier neben mir stand.
    Das Konzert war zu Ende und wir gingen schweigend aus der Halle. Ich grinste immer noch, und Anke schaute mich irritiert an. »Wo wohnst du jetzt eigentlich?« fragte sie mich, als wir draußen auf dem Parkplatz standen.
    »In Stuttgart. Also daneben, in Esslingen. Und du?«
    »Hier in Düsseldorf. Fährst du jetzt noch zurück, oder übernachtest du hier?«
    »Ich kann überall übernachten, wo ich gerade bin. Ich habe mir einen Campingbus gekauft, dort drüben der. Sowie das Teil damals am Balaton, erinnerst du dich?« Sie nickte. Es war kühl, aber ich konnte jetzt unmöglich in mein Auto steigen und davonfahren. »Wollen wir noch irgendwo was trinken gehen?«, fragte ich.
    »Gerne«, antwortete Anke. »Ich kenne eine nette Kneipe hier in der Nähe«.
    Wir gingen zu meinem Bus und fuhren los. Ich musste mich wirklich konzentrieren, auf die Straße zu schauen und nicht zu Anke, die auf meinem Beifahrersitz saß und immer wieder zu mir rüberblickte.
    Nach ein paar Minuten parkten wir vor einer Kneipe, aber hinter den Fenstern brannte kein Licht. Sommerferien.
    »Schade. Was nun?«, fragte mich Anke. Ich zuckte mit den Schultern und sah sie erwartungsvoll an. Wenn sie mich jetzt nicht mit zu sich nach Hause einlud, würde ich sie auf der Stelle aus dem Wagen schmeißen und nie wieder ihren Namen in den Mund nehmen. »Gibt es noch woanders irgendwas Nettes, das offen hat?«, fragte ich lauernd.
    »Schon, aber da müssten wir in die Innenstadt fahren.« Sie hielt kurz inne. »Wir könnten auch bei mir noch einen Kaffee …«
    »Gerne. Wo muss ich lang?«, fiel ich ihr ins Wort. Yes!
    Anke wohnte in einem Mehrfamilienhaus keine fünf Minuten entfernt. Schließlich standen wir im Flur ihrer kleinen Wohnung direkt unterm Dach. Ein großes Poster von The Cure hing an einer der Türen. Überall standen leere Umzugskartons. Ich zog meine Jacke und meine Docs aus und folgte Anke in die Küche. »Bist du gerade eingezogen oder ziehst du wieder aus?«, fragte ich sie.
    »Letzteres. Ich mach uns Kaffee«, erwiderte sie. »Wenn du Lust hast, kannst du nebenan die Anlage einschalten.«
    Ich knipste die kleine Lampe auf einer Kommode an. Da stand ich nun allein in ihrem Zimmer, so wie vor fast einem Jahr. Doch hier war alles anders. Nichts erinnerte an die Zeit in Grünau. Hier nahm ich nicht Abschied, hier war ich gerade angekommen. Hier hatte ich heute noch was vor. Hoffentlich.
    »Mit Zucker?«, riss mich Ankes Stimme aus

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