Das Wirken der Unendlichkeit
Straße.
Eddie stand vor dem Eingang und unterhielt sich mit den beiden Männern in den glänzenden hellblauen Anzügen. Als er mich rennen sah, lachte er lauthals. »Ist das nicht Spitze?« rief er und bemühte sich immer noch, wie ein Amerikaner zu klingen. »>Der Tanz vor dem Spiegel< ist nur Vorspiel! Nicht zu fassen! Einfach nicht zufassen!«
Als ich Don Juan die Geschichte das erste Mal erzählt hatte, sagte ich ihm, daß mich die quäkende Musik und die alte Prostituierte, die sich unbeholfen zu den Klängen der Musik drehte, sehr betroffen gemacht hatte. Mich schockierte jedoch auch die Erkenntnis, wie gefühllos mein Freund war.
Als ich mit der Geschichte, die ich Don Juan in den Bergen von Sonara noch einmal erzählt hatte, zu Ende war, zitterte ich. Etwas, das ich nicht in Worte fassen konnte, versetzte mich auf geheimnisvolle Weise in eine seltsame innere Erregung.
»Diese Geschichte«, sagte Don Juan, »sollte in dein Album denkwürdiger Ereignisse aufgenommen werden. Dein Freund hat dir in der Tat, wie er selbst sagte, etwas für das ganze Leben gegeben, obwohl er keine Ahnung hatte, was er da tat.«
»Für mich ist es nur eine traurige Geschichte, Don Juan, mehr nicht«, erklärte ich.
»Es ist in der Tat eine taurige Geschichte, wie übrigens alle deine Geschichten«, erwiderte Don Juan. »Aber für mich unterscheidet sie sich von den anderen und ist denkwürdig, weil sie jeden Menschen berührt und nicht nur dich, wie die anderen Geschichten. Verstehst du, jeder von uns, ob jung, ob alt, tanzt auf die eine oder andere Weise vor einem Spiegel. Du kannst alles, was du über Menschen weißt, zusammenfassen und an alle Menschen auf dieser Erde denken, und du wirst ohne den geringsten Zweifel wissen, ganz gleich, wer jemand ist oder wofür sich jemand hält oder was jemand tut, das Ergebnis allen Tuns ist immer dasselbe - ein sinnloser >Tanz vor dem Spiegel«
Ein Beben in der Luft
Ein Weg der Kraft
Als ich Don Juan begegnete, war ich ein ziemlich fleißiger Anthropologiestudent. Ich wollte meine Laufbahn als studierter Anthropologe damit beginnen, daß ich soviel wie möglich veröffentlichte. Ich war entschlossen, auf der akademischen Leiter nach oben zu steigen. Meine Überlegungen hatten zu dem Entschluß geführt, als ersten Schritt meiner akademischen Karriere Informationen über die Anwendung von Heilpflanzen zu sammeln, die die Indianer im Südwesten der Vereinigten Staaten benutzen.
Zunächst holte ich mir für mein Projekt Rat bei einem Professor der Anthropologie, der auf diesem Gebiet gearbeitet hatte. Er war ein berühmter Ethnologe, der linde der dreißiger und Anfang der vierziger Jahre viele Abhandlungen über die Indianer in Kalifornien, über die Indianer im Südwesten und in Sonora, Mexiko, veröffentlicht hatte. Der Professor hörte sich geduldig meine Ausführungen an. Ich wollte eine Abhandlung mit dem Titel >Ethnobotanische Daten< schreiben und in einer Zeitschrift veröffentlichen, die sich ausschließlich mit anthropologischen Themen der südwestlichen USA beschäftigte.
Ich hatte vor, Heilpflanzen zu sammeln und Proben im Botanischen Garten der UCLA zuverlässig bestimmen zu lassen. Danach wollte ich beschreiben, warum und wie die Indianer im Südwesten die Pflanzen anwenden. Ich dachte dabei an viele Tausend solcher Beispiele und stellte mir sogar vor, eine kleine Enzyklopädie zu diesem Thema zu veröffentlichen.
Der Professor lächelte nachsichtig. »Ich möchte Ihre Begeisterung nicht dämpfen«, sagte er mit müder Stimme, »aber ich muss warnend eine Bemerkung über Ihren Eifer machen. Eifer ist in der Anthropologie zwar angebracht, aber er muss richtig gelenkt werden. Wir befinden uns immer noch im goldenen Zeitalter der Anthropologie. Ich hatte das Glück, mit Alfred Kröber und Robert Lowie, zwei Säulen der Sozialwissenschaft, zu studieren. Ich habe ihr Vertrauen nicht enttäuscht. Anthropologie ist noch immer die tonangebende Disziplin. Jeder andere Zweig der Wissenschaft sollte von der Anthropologie ausgehen. Der gesamte Bereich der Geschichte zum Beispiel sollte dementsprechend >historische Anthropologie< genannt werden, und auf dem Gebiet der Philosophie sollte man von philosophischer Anthropologie< sprechen. Der Mensch sollte das Maß aller Dinge sein. Deshalb sollte die Anthropologie, die Wissenschaft vom Menschen, der Kern aller anderen Wissenschaften sein. Eines Tages wird sie es auch werden.« Ich sah ihn verblüfft an. In meinen Augen war
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