Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
Sie stellt den Lehrplan infrage …« Dr. Berger blätterte wieder.
»Das klingt doch nach einem typischen Teenager«, wandte Jenna ein. »Das erleben Sie bestimmt jeden Tag, und ich nehme an, es ist nichts Außergewöhnliches. Und Kim ist auch sicher nicht die Einzige, die aufbegehrt. Ein Recht der Jugend und wenn ich mich zurückerinnere …«
Ein einziger Blick von Dr. Berger machte ihr klar, dass dies vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt für persönliche Reminiszenzen war. Jenna erhob sich und trat an das Pult, auf dem sich die Akten von Schülern stapelten. »Ich bin aber heute hier, weil ich einen Rat von Ihnen brauche.«
»Das kann ich mir vorstellen«, gab Dr. Berger ungerührt zurück. »Aber wenn Eltern ihre Erziehungspflichten wahrnehmen würden, dann hätten wir hier weniger Probleme. Mit Rat ist es auch nicht mehr getan. Wenn Kim ihr Verhalten nicht sofort und grundlegend ändert, werde ich sie eine Woche vom Unterricht ausschließen müssen.«
»Was?« Jenna runzelte die Stirn und sah die Lehrerin empört an. »Finden Sie das nicht ein bisschen übertrieben? Ich komme zu Ihnen, damit wir gemeinsam über meine Tochter sprechen, und das Erste, was Sie vorschlagen, ist, sie zu suspendieren?« Beim letzten Satz wurde sie laut.
»Vielleicht schauen Sie einmal, ob Kims Verhalten in ihrem Zuhause begründet ist«, sagte die Lehrerin kühl und betrachtete Jenna wie eine Spezies besonders unfähiger Mütter, die ihr das Leben schwer machten.
»Das kann schon sein«, gab Jenna zu. »Wir haben so unsere Probleme miteinander. Aber ich denke, da steckt mehr dahinter. Hier in der Schule, meine ich. Wird sie vielleicht gemobbt?«
»So etwas gibt es hier nicht«, beschied ihr Dr. Berger brüsk. »Woher wollen Sie denn das wissen?« Jenna beschlich das ungute Gefühl, mit der falschen Person zu reden. »Mobbing gibt es überall, sicher auch hier.«
Dr. Berger erhob sich, umrundete das Pult und baute sich vor Jenna auf. »Meine liebe Frau Winters, ich denke, Kim leidet unter der Zerrüttung ihres Zuhauses, und dafür sind Sie verantwortlich, niemand sonst. Vielleicht noch der Vater Ihrer Tochter. Außerdem hat Ihre Tochter Probleme mit Autorität. Das muss sich ändern. Und wenn sie einen kleinen Anstoß braucht, sprich ein paar freie Tage, um darüber nachzudenken, dann werde ich das veranlassen. Wie alt ist sie? Siebzehn? Dann besteht ja offiziell keine Schulpflicht mehr, nicht wahr?«
Jenna schoss das Blut ins Gesicht. Sie lehnte sich vor, sodass sie nur mehr Zentimeter von Dr. Bergers Gesicht entfernt war. »Wenn das die einzige Hilfe ist, die Sie anbieten, dann wundere ich mich nicht, dass meine Tochter ein Problem mit Ihnen hat«, zischte sie wütend. »Ich habe es auch. Und wissen Sie was: Ich kann Kim verstehen. Sie sollen die Autorität sein, nach der sie sich richten sollte? Das ist ja lächerlich. Sie wollen mir nicht helfen? Schön. Ich werde allein herausfinden, was mit meiner Tochter los ist. Und wenn es irgendetwas mit dieser Schule zu tun hat, dann sind Sie Ihren Job los. Dafür sorge ich.«
Damit drehte sich Jenna auf dem Absatz um, riss Tasche und Mantel an sich, marschierte aus dem Zimmer und warf die Tür so heftig hinter sich zu, dass der Knall durch die Gänge hallte. Immer noch außer sich vor Wut eilte sie die große Treppe hinunter. Was für eine eingebildete Tusnelda!
Als sie wieder in der kalten Winterluft stand, atmete sie tief durch. Was war nur in sie gefahren? Sie merkte, dass ihre Knie zitterten, und ließ sich auf dem Weg zur U-Bahn auf die nächste Bank sinken. Was bildete sich diese Dr. Berger eigentlich ein?
Jenna schnaufte verächtlich und kramte dann in der Handtasche nach ihrem Handy. Alex würde heute Abend mit Kim essen, und sie konnte ihn genauso gut jetzt auf den neuesten Stand bringen. Bevor sie die Nummer wählte, zögerte sie kurz. Ehrlicherweise musste sie sich eingestehen, dass Kim nicht der Grund für ihre Ausbrüche war. Sie selbst war es. Sie war unkonzentriert, unzufrieden, unleidlich. Und das immer öfter. Warum, war ihr selbst ein Rätsel.
»… bitte hinterlassen Sie eine Nachricht.« Natürlich, die Konferenz. Alex hatte sein Handy ausgeschaltet.
»Alex, Jenna hier. Bitte ruf mich an, bevor du Kim abholst. Ich muss mit dir reden, ja? Bis später. Und … Alex? Danke.«
Gegen zehn Uhr abends, im dritten Stock eines der Häuser in der Waltherstraße, waren die Gäste und das Gastgeberpaar satt, zufrieden und nicht mehr ganz nüchtern. Die vier
Weitere Kostenlose Bücher