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Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)

Titel: Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Frei
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sie sich wieder der Gruppe anschließen, wenn nicht sogar unterordnen müssen. Zwar war sie offiziell Expeditionsleiterin, doch die Männer hatten früh klargemacht, wem sie zu folgen gedachten: Auf keinen Fall einer Frau, mochte sie auch noch so gut ausgebildet sein.
    Die Berge schienen immer weiter wegzurücken, je länger Mary unterwegs war. Sie mochte bereits drei oder vier Stunden gelaufen sein, als sich der leichte Wind, der ihr bisher das Gesicht gekühlt hatte, schlagartig veränderte. Binnen Minuten frischte er auf, es begann zu stürmen, und die Sicht verringerte sich bis auf wenige Meter. Böen trieben Sand und kleine Kiesel durch die Luft, die auf der Haut schmerzten. Dazu kam das ohrenbetäubende Heulen des Windes, der immer größere Wolken aus Sand aufpeitschte. Das Atmen wurde zur Qual. In letzter Minute erblickte Mary einige große Felsen, die sich vor ihr erhoben. Dort würde sie geschützter sein als in der Ebene. Sie rannte keuchend vorwärts, das Gewehr schlug auf ihre Hüfte und der Rucksack drückte schmerzhaft auf den Schultern.
    Endlich erreichte sie die Felsen, die wie Häuser vor ihr aufragten. Sie umrundete einen großen schwarzen Block, der bestimmt dreißig mal dreißig Fuß maß, und kauerte sich in dessen Windschatten zusammen. Hinter dem Stein war es einigermaßen erträglich, obwohl der Sand auch hier die Luft erfüllte.
    Blind tastete sie sich durch ihren Rucksack und fand den Lederbeutel mit Wasser, dann ein Stück Dörrfleisch. Der Wind ließ nicht nach, dafür wurde es kälter. Mary suchte ein halbwegs flaches Stück auf dem harten Steinboden und begann zu essen. Während sie an ihrem Fleisch kaute, erinnerte sie sich daran, was Sayid, der junge einheimische Führer der Karawane, vor einigen Tagen am Lagerfeuer erzählt hatte, nämlich dass diese Stürme tagelang anhalten konnten.
    Mary schluckte und betete innerlich, dass Sayid sich auch einmal irren konnte. »Niemand ist aus solch einem Sturm je zurückgekommen«, hatte der groß gewachsene junge Führer sie gewarnt. »Außer die Geister hatten ihre Hand im Spiel und halfen. Doch ihr Weißen glaubt ja nicht an Geister, deswegen helfen sie euch nicht.« Sayid hatte klargemacht, dass die Geister sehr darauf achteten, wer sie um Hilfe bat und ob derjenige ihrer Hilfe überhaupt würdig sei.
    Mary zog Bilanz. Sie hatte noch etwa zwei Liter Wasser, mehrere Streifen Dörrfleisch und einige getrocknete Datteln. Nicht viel, aber ausreichend, schließlich war sie davon ausgegangen, gegen Abend wieder im Lager zurück zu sein. Sie war nicht darauf eingerichtet, die Nacht hier draußen zu verbringen. Stiegen die Temperaturen tagsüber auf gut vierzig Grad, so sanken sie nachts bis auf den Gefrierpunkt. Doch bis auf einen Umhang hatte sie auf warme Kleidung verzichtet. Sie sah sich kurz um, obwohl der Sandsturm ihre Sichtweite auf ein paar Meter einschränkte. An Skorpione, Schlangen und andere Tiere wollte sie nun nicht denken.
    »Verdammt, verdammt, verdammt«, fluchte sie laut. An eine Rückkehr ins Lager war nicht zu denken. Man sah schlicht und ergreifend nichts, die Ebene war in einem hellbraunen Dunst verschwunden, der sich zu bewegen schien. Also vorwärts. Weiter oben, in den Bergen, hatte sie vor dem Sturm etwas gesehen – möglicherweise Höhleneingänge? Wenn sie die erreichte, würde sie die Nacht überleben. Morgen könnte sie immer noch weitersehen.
    Die junge Forscherin riss einen Teil ihres Unterkleids ab und band sich den dünnen Gazestoff vor das Gesicht. So konnte sie wenigstens atmen, ohne ständig husten zu müssen. Entschlossen schulterte sie ihren Rucksack, griff nach dem Gewehr und brach wieder auf. Kaum war sie aus dem Windschatten des Felsens herausgetreten, schien sich die Gewalt des Sturms zu verdoppeln.
    Schritt für Schritt kämpfte sie sich weiter, den Anstieg hinauf, immer nach Norden. Von Zeit zu Zeit kontrollierte sie ihren Kompass und hoffte, dass es keine starken magnetischen Steinformationen in der Gegend gab. Sonst würde sie die Berge niemals erreichen.
    Der Weg schien kein Ende zu nehmen. War sie noch in Rich tung der Berge unterwegs oder hatte sie sich bereits verlaufen? Irgendwann wurde es dunkel, und ihr Mut sank. Wie in diesen Breiten üblich, fiel die Nacht wie ein schwarzer Vorhang herab, ohne sich durch die Dämmerung anzukündigen.
    Mit der Dunkelheit kam die Kälte.
    Mary fröstelte und zog das dünne Plaid, das sie um ihre Schultern geschlungen hatte, fester. Ihr Atem klang laut und

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