Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
groggy war …
Wo zum Teufel war Kim? Hatte sie Jennas benebelten Zustand ausgenutzt und war einfach ausgebüchst? Trotz Verbot und Ermahnung?
»Okay, ganz langsam«, murmelte Jenna vor sich hin. Hatte Kim heute Nachmittag nicht jemanden erwähnt?
Matthew!
Das war es! Kim hatte Matthew erwähnt, sie wollte ihm Mathe beibringen …
Jenna griff zum Telefon und wählte die Handynummer ihrer Tochter, doch Kim nahm nicht ab.
Irgendwie verwunderte es Jenna nicht, dass Kim ihren Anruf ignorierte. Was war mit Matthew? Hatte dieser aus dem Nichts aufgetauchte amerikanische Freund einen Nachnamen und eine Telefonnummer?
Kurzentschlossen rief Jenna bei Simone an. Die würde ja wissen, wo Kim und im Zweifelsfall auch dieser Matthew steckten.
Kunigundenstraße, Nordschwabing. Das dritte Haus auf der rechten Seite.
Matthew hatte die Adresse seiner Gasteltern genau be schrieben. Kim lief die Treppe von der U-Bahn-Haltestelle Dietlindenstraße aufs Straßenniveau hinauf und wandte sich nach ein paar Metern nach links. Nummer 34 war ein altrosa gestrichener Wohnblock mit einer hölzernen Eingangstür. Gutbürgerlich, hätte Anne gesagt und dabei das Gesicht verzogen.
Es war kurz vor neun, als Kim den Klingelknopf neben dem etwas verwaschenen Namensschild »Familie Hofer« drückte. Der Türöffner summte, und sie trat ins Haus. Irgendwo kochte jemand mit Hingabe, intensiver Bratenduft durchzog das Treppenhaus.
Matthew erwartete sie im zweiten Stock an der Wohnungstür. »Schön, dass du da bist«, sagte er und nahm ihr den Parka ab. »Alles okay?«
Kim zuckte mit den Schultern, zog ihre Mütze vom Kopf und stellte ihre Stiefel auf eine Ablage. »Wie man’s nimmt. Ich habe eigentlich Ausgehverbot. Aber wie du siehst, bin ich hier.«
»Und deine Mutter?«
»Die hat auf dem Sofa geschlafen, als ich gegangen bin.« Kim verzog das Gesicht, ihr Herz klopfte wild. »Sie wird mich schon nicht köpfen. Ich hab sie immerhin zugedeckt. Mit etwas Glück schläft sie bis morgen.«
Die Nachricht von Jenna auf ihrer Mobilbox – »Kim! Melde dich gefälligst! Ich sage dir, du kriegst Ärger, so was hast du in deinem Leben noch nicht gesehen!« – ließ sie unerwähnt.
Matthew lachte leise. »Na, dann komm. Meine Gasteltern sind heute Abend nicht da …« Er legte ihr die Hand auf die Schulter und steuerte sie durch den Flur, vorbei an der Küche und einem unbeleuchteten Wohnzimmer, zu einer Tür, an der ein überdimensioniertes »Achtung Baustelle«-Schild hing.
»Normalerweise wohnt hier Jonas. Derzeit ist es mein Zimmer«, erklärte ihr Matthew.
Kim trat neugierig ein. Sie kannte Jonas Hofer flüchtig. Er ging in dieselbe Klassenstufe und verbrachte das zweite Halb jahr in St. Louis. Er hatte die Chance erhalten, seinen Abschluss an einer deutschen Schule in Amerika zu machen. Dass er Matthews Austauschpartner war, wurde ihr allerdings erst jetzt klar. Das hatte niemand von den Lehrern erwähnt. Auf den ersten Blick war der kleine Raum ein typisches Jungenzimmer. Bett, Schreibtisch, Laptop, ein Regal mit ein paar Büchern und einer Unmenge DVD s, eine Dartscheibe an der einen Wand und über dem Bett ein altes Bob-Marley-Poster. Auf dem Boden lagen ein paar Sitzpolster verstreut.
»Nett«, sagte Kim und ließ sich auf eines der Polster sinken.
»Magst du was trinken?«, fragte Matthew. »Ein Glas Wein vielleicht?«
»Wein klingt gut.«
Matthew verschwand und kam kurz darauf mit einer Flasche Rotwein und zwei Gläsern wieder. Er schenkte die Gläser voll, gab Kim eines davon, setzte sich neben sie und streckte seine langen Beine aus.
»Auf die Träume«, sagte er und stieß mit seinem Glas leicht an ihres.
»Auf dass sie verschwinden«, ergänzte Kim lakonisch und nahm einen großen Schluck.
Sie war plötzlich verlegen, wusste nicht, wohin sie schauen sollte, und nahm einen weiteren Schluck. Hin und wieder trank sie ein Glas zu besonderen Anlässen, aber dieser Wein war stärker, als sie es gewohnt war. Sie lehnte sich mit dem Rücken gegen das Bett, starrte in ihr Glas und hatte plötzlich Angst vor der eigenen Courage. Oder war es Dummheit? Was machte sie hier eigentlich? Vielleicht war das alles doch keine gute Idee …
In dem Moment, in dem Kim ihr Glas auf dem Boden abstellte und sich erheben wollte, um mit einer schal klingenden Entschuldigung zu flüchten, ergriff Matthew ihre Hand.
»Ich weiß, dass du nervös bist«, sagte er leise. »Aber keine Sorge. Es tut nicht weh.«
»Bei dir ist sie nicht,
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