Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
sucht uns bestimmt niemand. Wenn der Anschlag auf Anne mit uns zu tun hat, rechnet bestimmt niemand damit, dass wir ausgerechnet dahin gehen. Und dann möchte ich versuchen, Anne zu sehen. Wenn sie wegen mir stirbt, verzeihe ich mir das nie.« Die letzten Worte flüsterte sie.
»Du willst mich schwänzen lassen? Nachdem du und die Berger mir Hausarrest verpasst haben?« Kim konnte nicht glauben, was sie hörte.
»Schule ist momentan dein geringstes Problem!«, antwortete Jenna scharf. »Wir müssen zusehen, dass wir beide am Leben bleiben. Deine Dr. Berger wird uns dabei sicher nicht helfen können, oder? Nein, je mehr ich darüber nachdenke, glaube ich, dass London nicht die schlechteste Idee ist.« Jenna wischte sich unauffällig mit einer Serviette über die Augen. Dem Himmel sei Dank für wasserfeste Wimperntusche, dachte sie, winkte dem Kellner und zahlte. In bar.
Hand in Hand gingen die beiden zum Auto zurück. Plötzlich klammerte sich Kim an ihrer Mutter fest. »Ich hab Angst, Mam. Aber so richtig.«
»Ich auch, Kim«, gab Jenna leise zurück. Die Angst sog jeg liche Wärme aus ihren Knochen, sie fror bis ins Mark und schaffte es kaum, einen Schritt vor den anderen zu setzen.
Doch sie riss sich mit letzter Kraft zusammen. Hier ging es um Kim. Ihr durfte nichts passieren, dafür musste sie sorgen.
Vor dem Terminal bezahlte sie das Parkticket, und nach wenigen Schritten waren sie beim Auto. Endlich, dachte Jenna, ich kann keinen Schritt mehr laufen. »Wir fahren heim und packen«, sagte sie, als sie von der Parkschleife auf die Hauptstraße rund um das Flughafengelände einbog. »Ich rufe Alex an und erkläre es ihm. Und vorher gehen wir bei Dr. Lohner vorbei. Der soll dich kurz durchchecken.«
Kim versuchte zu protestieren. »Ich bin okay.«
»Keine Widerrede.«
Die dreiviertelstündige Fahrt zurück ins Westend verlief schweigend. Beide Frauen hingen ihren Gedanken nach, kamen immer wieder auf die gleiche Frage zurück: Warum? Doch darauf gab es keine Antwort.
Entlang der Autobahn war das Schneeweiß der Felder schon wieder leicht gesprenkelt. Braungrüne Fleckchen leuchteten in der Wintersonne, die schüchtern hinter der Wolkendecke aufschien und offensichtlich noch nicht genau wusste, was sie wollte.
»Was machen eigentlich deine Kopfschmerzen?«, fragte Jenna unvermittelt, als sie bei der Ausfahrt Ludwigsfeld die Autobahn verließ und der Beschilderung in Richtung Mittlerer Ring folgte.
Kim horchte einen Moment in sich hinein. »Verschwunden«, sagte sie überrascht. »Komisch. Ist mir gar nicht aufgefallen. Aber jetzt, wo du fragst … Sie sind weg. So gesehen geht’s mir gut. Nur …« Mit einem schiefen Lächeln setzte sie hinzu: »Nur meine Stiefel hätte ich gerne wieder. Aber bevor ich Matthew noch einmal anrufe, friert die Hölle zu!«
Jenna lächelte unwillkürlich. Da waren sie beide, rannten um ihr Leben, und das Einzige, was ihrer Tochter einfiel, waren ihre Stiefel.
»Du bist unbezahlbar, Kim.« Nach einer Pause setzte sie hinzu: »Was weißt du eigentlich über diesen Matthew? Erzähl mir nicht, der sei ein normaler Austauschschüler. Wie konntest du ihm so sehr vertrauen?«
Kim starrte aus dem Fenster, hob dann hilflos die Schultern »Ich weiß es nicht«, antwortete sie. »So im Nachhinein kann ich echt nicht erklären, warum ich das Spiel mitgemacht habe. Es war so was wie Hypnose …«
Jenna konnte in Kims Gesicht erkennen, dass ihrer Tochter bei diesem Gedanken auch noch im Nachhinein fast schlecht wurde. »Du hast anscheinend getan, was er wollte«, antwortete sie in beruhigendem Ton. »Vielleicht sind wir ihn damit los.«
Zu Hause suchte Jenna nach ihren zwei kleinen blauen Rollkoffern, stellte Kim einen davon in ihr Zimmer und bat sie zu packen. »Mach es nicht zu kompliziert. Nur das Wichtigste, ja?«
Sie überließ Kim sich selbst und griff nach ihrem Handy. Alex meldete sich erstaunlicherweise nach dem ersten Klingeln.
»Hey, Jenna. Alles okay bei euch?«
»Komisch, dass du fragst«, gab Jenna zurück und sprang gleich ins kalte Wasser: »Alex, ich würde Kim gerne ein paar Tage aus der Schule nehmen.« Stockend erzählte sie von Anne und sagte dann: »Ich dachte, ich fliege nach London mit ihr. Ich könnte für Nicholas da sein, ihm helfen, mit der Situation zurechtzukommen, und Kim kommt auf andere Gedanken. Annes Eltern sind auch da …« Sie erwartete heftigen Widerspruch, schließlich kannte sie Alex’ besonnene Art. Eine Flucht hielt er bestimmt nicht
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