Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
Gesicht wischte. »Danke, Jenna. Ich bin sicher, Anne wird es merken. Ihr wart immer wie Schwestern, die ganzen Jahre hindurch …« Ihr Mann umarmte Jenna ebenfalls kurz, dann nahm er seine Frau am Arm und zog sie in Richtung Passkontrolle.
Jenna sah den beiden nach und hielt Kims Hand fest in der ihren. Als Annes Eltern hinter den Schaltern vor den Flugsteigen verschwunden waren, drehte sie sich um und zog ihre Tochter energisch mit sich. »Komm mit.« Sie überquerten die überdachte Freifläche vor den Terminals, doch anstatt zum Parkplatz zu gehen, steuerte Jenna das erste Restaurant in Terminal 1 an. »Das Airbräu hat schon offen, und wir beide müssen uns unterhalten.« Sie lotste Kim zu einem Tisch und ließ sich auf einen Stuhl fallen, dabei behielt sie den Eingang im Auge. Dieser Morgen hatte Jenna alle Kraft gekostet. Mit Mühe hielt sie sich aufrecht, wahrte das letzte Quäntchen Fassung und orderte ein doppeltes Frühstück.
»Mam«, sagte Kim nach einem Blick in Jennas Gesicht und griff über den Tisch nach ihrer Hand. »Du bist ganz bleich. Ist dir schlecht?«
Jenna traute ihrer Stimme nicht, sie legte nur ihre Hand auf Kims. Unauffällig sah sie sich nach allen Seiten um, doch um diese Zeit war die Gaststätte kaum besucht. Niemand war in Hörweite, außer dem Kellner, der bereits wieder zu ihnen unterwegs war, zwei volle Tabletts auf dem Tisch abstellte und erneut zwischen den glänzenden Braukesseln verschwand.
Kim fühlte, wie der Schrecken, der sie seit Monaten begleitete und sich durch Matthews Ritual kurzfristig zurückgezogen hatte, sich wieder an sie herantastete. Sie griff zum Orangensaft, doch ihre Hände zitterten so, dass sie das Glas lieber wieder absetzte. »Gestern Abend … das blöde Ritual …«, begann sie, doch Jenna schnitt ihr das Wort ab.
»Ich habe plötzlich Visionen, und du hörst Geister. Von mir aus bilden wir uns das alles ein.« Sie nahm sich ein Brötchen und zerkrümelte es, ohne es zu bemerken. »Aber einer dieser Geister ist mit deiner Hilfe gestern hier aufgetaucht. Es fühlt sich so an, als stünde der Tod direkt neben uns: Erst Carolins Selbstmord, dann der Mordversuch an Anne. Nicht zu vergessen den Unfall, den Rainer und ich hatten! Dass wir noch leben, ist reines Glück!«
»Aber Anne hat doch gar nichts damit zu tun«, wandte Kim ein und biss nervös in ein Croissant.
»Leider doch.« Jenna lächelte bitter und erzählte Kim in wenigen Worten von dem Video. Als der Film erneut vor ihrem inne ren Auge ablief, kamen ihr die Tränen. »Wir werden verfolgt, Kim! Irgendjemand hat uns im Visier, und ich weiß nicht, ob wir nächste Woche noch leben. Ist das jetzt in deinem Hirn angekommen?« Rote Flecken erschienen auf Jennas Wangen, ihr Herz klopfte wie wild und sie kämpfte gegen das Gefühl zu ersticken.
Kim wurde bleich, sie ließ das Hörnchen auf den Teller zurückfallen und sah sich hektisch nach allen Seiten um. »Du meinst, jemand will uns auch umbringen? O Gott … Was machen wir denn jetzt?«, flüsterte sie. »Sollen wir doch zur Polizei gehen?«
Jenna schüttelte den Kopf. »Die glauben uns nicht«, sagte sie verzweifelt. »Ich glaube es ja selbst kaum. Nein, wir müssen uns etwas anderes einfallen lassen.« Sie schichtete die Brotkrümel zu einem Häufchen auf der weißen Tischdecke und hätte am liebsten hinzugefügt: »Aber ich habe keine Ahnung, was wir tun sollen.«
Kim starrte ihre Mutter forschend an. »Hast du eine Idee? Einen Plan? Können wir nicht einfach abhauen? Untertauchen?«
»Du hast wohl zu viele Filme gesehen. Wohin denn?«, fragte Jenna zurück und überlegte im gleichen Augenblick, wie schwie rig es hier wohl sein mochte, ein Flugticket auf einen falschen Namen zu buchen. Sinnlos, sagte sie sich im nächsten Moment. Sie überlegte krampfhaft. Zwei Männer in Anzügen betraten das Restaurant, und Jenna erstarrte. Doch die beiden würdigten sie keines Blickes, setzten sich an die gegenüberliegende Wand und begannen, Zeitung zu lesen.
Jenna atmete langsam ein und aus, bemühte sich, die Angst zu bannen, trank ihren Orangensaft in einem Zug aus. Was Kim vorgeschlagen hatte, war eigentlich Blödsinn. Doch je länger sie darüber nachdachte, desto besser erschien ihr die Idee.
»Wir könnten …«, begann sie zögernd, »wir könnten vielleicht tatsächlich abhauen.« Ein Bild von Anne im Krankenhaus stieg vor ihrem inneren Auge auf, und Jenna zuckte zusammen.
»Wir könnten«, wiederholte sie, »nach London. Dort
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