Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
vor der Rezeption des King George Hotel in Earl’s Court. Der Regen, der London die letzten Tage in eine mit Pfützen übersäte Kraterlandschaft verwandelt hatte, hatte nachgelassen. Es nieselte nur noch ein we nig, und die Wolkendecke zeigte erste Lücken. Ein frischer Wind blies vom Ärmelkanal her und würde im Laufe der Nacht die letzten Regenwolken vertreiben. Zumindest versicherte ihnen das der Mann an der Rezeption, als er den beiden Frauen mit dem Wunsch »Enjoy your stay in London« ihre Zimmerschlüssel aushändigte.
Das Zweibettzimmer war groß, aber überheizt und schlecht gelüftet. »Nicholas holt uns gegen sechs ab«, erklärte Jenna, riss das Fenster auf und sah auf die Uhr. »Das gibt uns noch gerade eine halbe Stunde. Willst du duschen?«
Kim ließ sich stöhnend aufs Bett fallen und blickte stirnrunzelnd auf ihr Handy. »Nein, danke. Zu viel Sauberkeit schadet der Haut. Schau mal, schon wieder eine Nachricht von Matthew. Vielleicht sollte ich ihn doch mal zurückrufen.«
Mit zwei Schritten war Jenna bei ihr und riss ihr das Mobiltelefon aus der Hand. »Nein!«, widersprach sie vehement. »Ich fliege nicht nach London und versuche uns in Sicherheit zu bringen, um es dann in alle Welt hinauszuposaunen. Schon gar nicht in Matthews Richtung!«
»Weißt du, wie du mir vorkommst, Mam? Wie Indiana Jones in einem seiner unglaublichen Abenteuer. Fehlt nur noch die Peitsche … Ich hab zwar eine Scheißangst, aber mit dir zusammen ist es cool.« Mit diesem mysteriösen Kompliment entwand Kim Jenna das Handy, löschte entschlossen Matthews Nachricht und trank einen großen Schluck aus der Wasserflasche, die das Hotel für die Besucher bereitgestellt hatte.
Jenna fehlten ausnahmsweise die Worte.
Pünktlich wartete Nicholas in der Eingangshalle und erhob sich, als Jenna und Kim aus dem Aufzug traten. Er sah erschöpft aus, Falten hatten sich tief in sein Gesicht gegraben, seine grauen Augen blickten müde auf die beiden Frauen. Jenna nahm ihren Freund wortlos in die Arme, und Nicholas ließ dankbar seinen Kopf auf ihre Schulter sinken.
»Es ist schön, dass du gekommen bist«, sagte er rau. »Du auch, Kim. Ich kann euch gar nicht sagen, wie froh ich bin, euch zu sehen.«
»Wie geht’s Anne?«, fragte Kim schüchtern.
Nicholas lächelte mühsam. »Sie ist am Leben. Und das, sagen die Ärzte, ist schon ein mittleres Wunder. Sie hat eine Kugel im Kopf. Eigentlich müsste sie tot sein.« Er schluckte und senkte den Kopf, dann machte er eine fahrige Handbewegung zum Ausgang. »Ich parke ein paar Meter weiter«, sagte er. »Lasst uns fahren. Ich will Anne nicht so lange allein lassen.«
»Sind ihre Eltern gut angekommen?«, erkundigte sich Jenna fürsorglich.
»Ja«, nickte Nicholas und drückte die Glastür auf. »Sie waren den ganzen Tag bei Anne, erst vorhin sind sie in unser Hotel zurückgefahren. Danke noch mal für Annes Sachen, Jenna.«
Sie liefen gemeinsam die wenigen Stufen vor dem Hotel hin unter, und Nicholas wandte sich an Kim: »Du musst nicht mit in die Klinik kommen, wenn du nicht willst. Wie wär’s mit Kino?«
»Nein«, entschied Jenna bestimmt, »Kim kommt mit uns.« Sie legte ihrer Tochter den Arm um die Schulter und schob sie zum Auto. Nicholas’ Mini stand ein paar Meter die Straße hinunter. »Ich erkläre es dir später, Nick.«
Als der Kleinwagen ausparkte und sich in den Verkehrsfluss einreihte, sah sich Jenna nochmals misstrauisch um. Doch sie erblickte niemanden, der am Straßenrand stand und ihnen nachsah, keinen Wagen, der ihnen folgte. Beruhigt drehte sie sich um und schnallte sich an.
In diesem Moment scherte ein dunkler 5er BMW aus einer Parklücke vor dem Hotel aus und reihte sich in sicherem Abstand hinter dem Mini ein.
Anne lag blass und regungslos in ihrem Bett auf der Intensivstation, etliche Monitore um sie herum überwachten alle lebenswichtigen Funktionen, piepsten in unregelmäßigem Rhythmus, während dunkelgrüne Sinuskurven auf den Dis plays aufleuchteten und wieder verschwanden. Zwei verwaiste Stühle standen neben dem Bett, und eine gelesene Zeitung lag auf dem ansonsten leeren Nachtkästchen.
»Nichts Neues, Mr. Wright«, erklärte eine der Schwestern und sah Jenna und Kim stirnrunzelnd an. »Das ist kein offizieller Besuchstrakt«, rügte sie dann energisch. »Und abgesehen davon ist die Besuchszeit auch schon vorbei.«
»Sie ist Annes beste Freundin«, protestierte Nicholas und wies auf Jenna. »Bitte!«
Die Schwester sah ihn streng an und gab
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