Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
erklärte sie verlegen.
»Mit gutem Grund«, meinte Nicholas und betrat das Zimmer, sah sich wachsam um. »Bei dir alles okay? Keine Anrufe? Wollte jemand etwas von dir?«
»Nein. Nicht mal Matthew.« Kim schlurfte zurück zum Bett und ließ sich darauffallen. »Was war denn los? Ihr seht ziemlich fertig aus.«
»Wir haben allen Grund dazu.« Jenna ließ sich mit zitternden Knien an der Wand hinabgleiten, blieb auf dem Boden sitzen. »Kim, ich glaube, wir sind vom Regen in die Traufe geraten. Ich wollte uns hier in Sicherheit bringen, dachte, wenn wir uns quasi in der Höhle des Löwen verstecken, ist das clever, aber das war die falsche Entscheidung. Die wissen, dass wir hier sind.«
»Die? Wer die?«, fragte Kim erschrocken.
Jenna sah Nicholas nachdenklich an. Er schien wieder ganz der Alte, verbindlich lächelnd und charmant, doch sie konnte den Anblick von vorhin nicht vergessen – schussbereit mit der Waffe im Anschlag, einen wild entschlossenen Ausdruck in den Augen, den sie vorher noch nie gesehen hatte. Dieser Nicholas jagte ihr Schauer über den Rücken.
Ohne sich ihr Unbehagen anmerken zu lassen, antwortete Jenna auf Kims Frage: »Die Typen, die auf Anne geschossen haben … Was weiß ich?« Frustriert hob sie ihre Hände und ließ sie wieder in den Schoß fallen. »Jemand ist uns gefolgt. Und das Schlimmste ist: Ich habe schon wieder Geister gesehen. Ich hatte wirklich gehofft, die wären in München geblieben. Gott, mir ist jetzt noch schlecht.«
Sie deutete auf die Flasche auf dem Tisch. »Gib mir mal bitte einen Schluck Wasser. Ich schmecke sie immer noch. Ich kann es kaum beschreiben, dieser Nebel schmeckt – lähmend. Ekelhaft.« Sie schüttelte sich.
»Ich glaube nicht an Zufälle«, warf Nicholas düster ein. »Nicht in eurem Fall. Da steckt ein Plan dahinter. Das ist so gut wie sicher. Geister oder nicht. Und noch etwas: Wer auch immer Anne angeschossen hat, ist ein Meisterschütze. Den findest du nicht in den Gelben Seiten.«
»Und was sollen wir jetzt machen?«, fragte Kim unsicher.
»Dringend einen Ausweg finden oder zum Angriff übergehen«, erklärte Nicholas bestimmt.
»Zum Angriff? Ich höre wohl nicht recht«, funkelte Jenna ihren Freund an.
»Vielleicht hab ich da was …« Kim wechselte vom Bett zu dem kleinen Tisch, auf dem der Laptop stand und wedelte mit dem alten Buch. »Keine Sorge, ich habe nicht nur ferngesehen. Du wolltest doch, dass ich die Seiten über Mary Kingsley lese. Hab ich auch gemacht. Und gleich von hier aus ein bisschen im Internet gestöbert. Die hatte vielleicht ein wildes Leben. Echt spannend. Und dann gibt es noch eine total abgefahrene Geschichte über ihren Auftraggeber, Lord Covington …«
Nicholas, der in Gedanken versunken in der Minibar rumorte, um für sich und Jenna ein Bier zu finden, hob alarmiert den Kopf. »Halt, halt! Was hat der denn damit zu tun? Jenna, welchen Teil der Geschichte hast du unterschlagen?«
»Du kennst Lord Covington? Ich dachte, du bist jünger«, grinste Kim frech.
»Sehr witzig.« Nicholas verzog das Gesicht, aber der Versuch eines Lächelns erreichte seine Augen nicht. »Ja, ich kenne die Covingtons. Jeder in England kennt sie. Alter, ganz und gar nicht verarmter Landadel. Ein paar von ihnen saßen auch mal im Oberhaus. George ist der Jüngste, glaube ich. Er hat noch eine Schwester, aber die ist mit einem Bürgerlichen verheiratet.« Nicholas stand auf und reichte Jenna eine Flasche Stella Artois. »Wie kommt ihr denn jetzt auf den? Und diese, wie heißt sie noch mal, Mary Kingston?«
»Kingsley«, verbesserte Jenna und nahm dankbar einen Schluck. »Du wirst es nicht glauben, aber das Buch ist mir in deiner Wohnung quasi vor die Füße gesprungen. Nachdem ich um Hilfe gebeten hatte.«
»Wen um Hilfe gebeten? In unserer Wohnung?«, fragte Nicholas alarmiert.
Jenna betrachtete die Bierflasche, als wäre auf dem Etikett die Antwort zu finden. »Ich weiß es nicht, Nick«, antwortete sie müde. »Deine Bücher? Die Geister?«
»Geister? So wie vorhin auf dem Friedhof?«
Kim schaute wie bei einem Tennismatch zwischen den beiden hin und her. »Was für ein Friedhof? Ihr habt doch gesagt, ihr wolltet spazieren gehen.«
»Wir waren auf einem Friedhof spazieren«, erklärte Jenna, und Kim verdrehte die Augen, als wollte sie sagen »Ihr spinnt doch völlig!«. Aber sie schwieg und machte eine auffordernde Geste.
Jenna holte tief Luft. »Erkläre ich dir später. Ich sage doch, ich habe Geister gesehen, eine
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