Das Wispern der Angst: Thriller (German Edition)
und zerrten an ihren Rahmen. Doch sie hielten.
In demselben Moment, als Jenna aufspringen und auf die Straße schauen wollte, erschien mit leisem »Ping« eine neue Nachricht in der In-Box. Jenna sah nervös hin und her, vom Fenster zum Schirm und wieder zurück und beugte sich schließlich vor zum Bildschirm. Dann schrie sie auf: »O nein! Nicht noch eine!«
Kim, die vom Bett aufgesprungen war, stand mit der Stirn an die Scheiben gepresst und blickte fasziniert auf die Flammen, deren Schein Muster auf die Häuserwände zeichnete. »Was ist los?«, fragte sie ihre Mutter, ohne den Blick von der Straße zu wenden.
»Eine weitere E-Mail mit Video-Anhang«, stieß Jenna mit zitternder Stimme hervor.
Draußen waren immer mehr Sirenen zu hören, die Blaulichter rotierten um die Wette. »Da unten ist etwas explodiert«, stellte Kim sachlich fest, »ein Auto, glaube ich. Haben die am Flughafen nicht gesagt, es gibt in London keine Anschläge mehr?«
Jenna wusste nicht, was sie zuerst tun sollte – die Mail samt Anhang anschauen oder zu Kim ans Fenster stürzen. Also klickte sie mit dem Mut der Verzweiflung erst die Mail und dann das Video an – und musste im nächsten Moment zusehen, wie Nicholas’ Mini in die Luft gesprengt wurde.
»Das … das kann einfach nicht wahr sein«, flüsterte sie immer wieder und saß starr vor Entsetzen vor dem Bildschirm. Nun war ihr klar, was da unten auf der Straße brannte. Kim riss nach einem Blick auf den Laptop das Fenster auf und schrie hinaus: »Nick! Nick!«
Nicholas sah hoch, entdeckte Kim und schrie zurück: »Ich bin okay! Bleibt oben!«
Die Turmuhr von St. John’s schlug neun. In dem unauffälligen Reihenhaus im Londoner Stadtteil Notting Hill war es still. Im Salon, einem großzügigen Raum im ersten Stock, saßen fünf Männer in dunklen Anzügen um einen runden, fast schwarz glänzenden Tisch. Dunkelrote Samtvorhänge verdeckten die Fenster, auf dem Tisch brannte eine einzelne große Kerze und warf flackernde Schatten auf die Gesichter. Keiner sagte ein Wort, sie schienen auf etwas zu warten. Endlich wurde die Stille durch das Summen eines Handys unterbrochen. Einer von ihnen zog das Gerät aus der Sakkotasche, blickte ein paar Sekunden auf das Display und nickte dann. »Die Botschaft ist angekommen«, sagte er und betrachtete zufrieden das Inferno vor dem King George Hotel. Er klopfte mit den Fingerknö cheln auf die Tischplatte. »Es gibt zwei Dinge zu besprechen«, eröffnete er. »Erstens: Der Jäger wurde wie erwartet zu uns zurückgebracht.«
Es war, als hätte die Luft sich mit einem Mal elektrisiert. Spannung dehnte sich in dem Salon aus.
»Wo ist er?«, fragte einer.
»Noch in Deutschland, aber er wird bald hier sein«, gab der Anführer zurück und konnte ein triumphierendes Lächeln nicht verbergen. »Und zweitens: Unsere Botschaften sind an gekommen. Die Frau ist so weit. Sie wird unser …«, er zö gerte einen Moment, »nun, unser – Angebot nicht ausschlagen können.«
»Sicher?«, fragte einer. »Wo ist sie? Wir hatten schon mehrfach die Falsche im Visier.«
»Sie ist bereits hier«, verkündete der Anführer. »In London. Mit ihrer Tochter.« Er betrachtete versonnen seine linke Hand, über die sich ein fast unsichtbares Netz von Brandnarben zog. »Unsere Männer beobachten sie und den Büchersammler.« Verächtlich setzte er hinzu. »Der wird ihr allerdings nicht viel helfen können. Noch weiß sie nicht, was sie ist. Das werden wir ausnützen.« Er lächelte kalt, und seine Stimme sank zu einem Zischen herab.
»Meine Herren, in vierundzwanzig Stunden werden wir all das erreicht haben, wofür unsere Bruderschaft seit Jahrhunderten kämpft.«
Das Pentagramm, das in die dunkle Kirschholzplatte eingelassen worden war, begann plötzlich zu glühen.
6
Freitag, 10. Februar
Die Sonne kämpfte sich durch den Hochnebel, der über der Themsestadt hing, als Jenna, Kim und Nicholas – letzterer hatte in dem großen Sessel genächtigt – am nächsten Morgen wie gerädert erwachten. Wer immer die Mär vom erholsamen Schlaf in die Welt gesetzt hatte, er hatte keine Ahnung.
Nachdem drei eifrige Polizisten, die anscheinend nie müde wurden, immer dieselben Dinge zu fragen, Nicholas noch in der Nacht am Tatort ausführlich vernommen hatten, war irgendwann nach Mitternacht der Zeitpunkt gekommen, wo sie ihn hatten gehen lassen. Allerdings nicht ohne darauf hinzuweisen, dass er die Stadt tunlichst vorerst nicht verlassen sollte.
»Erst Ihre Frau,
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