Das Wispern der Schatten - Roman
auf und steckte den Kopf hindurch. Der Schankraum war sogar noch überfüllter als zuvor. Hart blickende Männer in braunen Lederrüstungen. Der narbengesichtige Skathis, der Ash einen Geldbeutel voller Münzen reichte. Ash, der einen Schluckauf hatte und nach der Börse griff, aufschaute und Jillan entdeckte.
Ich hab’s dir ja gleich gesagt!, verkündete der Makel triumphierend. Sieh doch, wie schuldbewusst er dreinblickt. Vielleicht hörst du ja beim nächsten Mal auf mich, wenn du lange genug für ein nächstes Mal am Leben bleibst. Na gut, dann laufen wir wohl besser wieder davon, Jillan, mein Junge!
» O nein! Owain! Es ist nich’ so, wie’s aussieht…«, lallte Ash flehentlich.
» Ihm nach, ihr Schwachköpfe!«, befahl Skathis mit rauer Stimme, die klang, als würde man eine Klinge aus der Scheide ziehen.
Ein halbes Dutzend Helden fuhr herum und sah Jillan in der Tür stehen. Alles erstarrte für eine winzige und zugleich unendlich lange Sekunde. Dann explodierte der Schankraum, als die Männer auf ihn zuhasteten und die Gäste beiseitestießen, die ihnen unabsichtlich im Weg standen, besonders die Hure, die wie der ruhelose Geist eines Toten heulte.
» Lebendig! Wir müssen ihn lebendig fassen!«
Na, das ist doch schon mal etwas, bemerkte der Makel, als Jillan von der Tür wegrannte. Sie versuchen nicht, uns zu töten. Allerdings möchte ich lieber nicht darüber nachdenken, was der Heilige mit uns vorhat, wenn er uns lebend benötigt. Das wird bestimmt unerfreulich. Weißt du, es ist noch nicht zu spät, dich selbst umzubringen – das ist vielleicht noch das kleinere Übel.
» Du bist mir keine große Hilfe!«, erwiderte Jillan. Diesmal lief er nicht zur Hauptstraße, sondern in die andere Richtung, denn er würde sich nicht unter den Leuten von Erlöserparadies verstecken können, wenn ihm Helden auf den Fersen waren und nach ihm riefen. Wenn überhaupt, dann würde das Volk den Helden helfen wollen und ihn in Sekundenschnelle fangen.
Nun, Undank ist der Welten Lohn, und das, nachdem ich dich vorgewarnt hatte, um sicherzustellen, dass du dich dem Wirtshaus vorsichtig nähern würdest, statt einfach hineinzustürmen wie ein durstiger Dorftrottel! Ich glaube, ich behalte meine guten Ratschläge von nun an für mich. Als ob es mich etwas kümmern würde!
» Wenn es das nur täte!«
Jillan raste um die Ecke, an der das Wirtshaus stand, und musste sich von der Wand abstoßen, um nicht dagegen zu prallen. Er rannte, so schnell er konnte, und ließ auf der einen Seite wortwörtlich alle Abzweigungen links liegen, weil sie entweder als Sackgassen an den Stadtmauern enden oder ihn zu anderen Helden, die Wache standen, führen würden. Er schoss an einem Gässchen zur Rechten vorbei, bevor er es auch nur bemerkte, aber es gelang ihm, sich in das nächste zu stürzen, als der erste Held gerade um die Ecke des Wirtshauses stürmte. Jillan rannte die Gasse hinunter. Seine Füße wirbelten den Unrat aus Pfützen hoch und besprenkelten ihn mit Schmutz. Mehrfach glitt er beinahe auf Schleim und Kot aus, aber die Wände beiderseits halfen ihm, sich gerade noch auf den Beinen zu halten.
Als er eben das Ende der langen Gasse erreichte und auf einen ummauerten, kopfsteingepflasterten Hof weiterrennen wollte, ertönte hinter ihm eine Stimme: » Da vorn!«
Er sauste über den Platz und durch einen Torbogen, um sich in einem Hof wiederzufinden, der dem ersten sehr ähnelte; allerdings gab es hier Wäsche an quer über den Hof gespannten Leinen und in einer Ecke eine Latrine, um deren Tür sich Rosen rankten.
Oh! Was für hübsche Unterhosen!
» Ich dachte, du wolltest von jetzt an deine guten Ratschläge für dich behalten?«
Ich habe dir keinen Ratschlag gegeben, sondern nur eine Bemerkung über die Damenunterwäsche gemacht. Jetzt hast du es geschafft – wir sind in einer Sackgasse. Schnell, zieh dir die langen Unterhosen und die anderen Frauenkleider an, dann erkennen die Wachen dich vielleicht nicht.
Jillan hörte die gestiefelten Füße der Helden näher kommen. Er bückte sich unter den Wäscheleinen hindurch und rannte zur Hintertür eines der gepflegten Häuser vor ihm. Sie war nicht verschlossen. Er trat ein und fand sich in einem kleinen Raum voller Eimer und Waschbretter wieder. Dann ging er in die große Küche dahinter weiter.
Eine Frau räkelte sich in einem Holzzuber voller Seifenwasser vor dem breiten Kamin. » Wer bist du?«, fragte sie verträumt und machte sich nicht die Mühe, ihre Scham
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