Das Wispern der Schatten - Roman
aufbrachen…
» Was also willst du wissen, Jillan?«, fragte Bion auf einmal und unterbrach so seine Gedanken. » Frag mich nach der Magie. Ich weiß alles Mögliche.«
Jillan warf einen verstohlenen Blick auf den Gnom. » Nun, ich… Magie ist gefährlich, nicht wahr?«
» Oh ja, sehr gefährlich. Selbst wenn die Absicht dahinter gut ist, kommen dabei zu oft Unschuldige zu Schaden.«
Wie Karl. » Aber kann man sie denn nicht beherrschen?«, fragte er und versuchte, die Verzweiflung aus seiner Stimme herauszuhalten.
Bion seufzte. » Ach, wenn man das nur könnte! Es ist so: Der Magier greift auf die Lebensenergie in seiner Umgebung zurück und kanalisiert sie. Aber der Rückgriff auf die Magie verlangt von ihm, erst einmal seinem Kern die eigene Lebensenergie zu entziehen. Je größer der Zauber ist, den er in Angriff nimmt, desto stärker muss der Magier sich selbst einbringen. Sein Kern wird im Grunde genommen durch den Magiegebrauch verringert. Wenn du schon Magie gewirkt hast, hast du danach doch bestimmt eine schreckliche Müdigkeit verspürt? Ja. Der Kern verlangt dann, dass Lebensenergie abgezogen wird, um das zu ersetzen, was verloren gegangen ist. Es ist wie ein Hunger oder ein Bedürfnis. Je mehr ein Zauberer Magie gebraucht, desto stärker schrumpft sein Kern, und desto größer wird der Hunger. Die meisten reden sich ein, dass sie den Hunger beherrschen können, aber der Hunger wird immer größer, bis er am Ende den Magier beherrscht. Du hast mich gefragt, ob Magie beherrschbar ist. Wenn man jung und stark ist, ja, aber letzten Endes nicht. Magie macht eigentlich alle Zauberer zu gedankenlosen, gefräßigen Bestien. Sie werden gefühllos und kümmern sich nicht mehr um ihre Angehörigen und Freunde. Es gibt nur noch die Magie und das Bedürfnis, mehr zu verschlingen, obwohl sie selbst davon verschlungen werden. Zum Glück ist der Kern eines Zauberers zu dem Zeitpunkt, da die Magie die Herrschaft übernimmt, meist schon so geschwächt, dass der Magier lange vor seiner Zeit gebrechlich, verkrümmt und alt ist. Entweder siechen sie dann langsam dahin oder treten mit einer letzten großen Ruhmestat von der Bühne ab. Du glaubst mir nicht? Sieh mich doch nur an, Jillan! Ich war einst ein kräftiger, hübscher, sechs Fuß großer Mann!«
Jillan riss die Augen auf, bis sie riesig wie Wagenräder waren. Er glaubte Bion durchaus. Hatte der Makel denn nicht schon mehrfach die Kontrolle über ihn übernommen?
» Hehe. Nun, vielleicht war ich auch nicht ganz so groß und hübsch. Aber ich war viel stärker und aufrechter.«
» A…also sollte ich die Magie lieber gar nicht benutzen?«
Bion nickte. » Genau. Ich benutze sie selbst kaum noch. Ich möchte noch so viele Tage, wie ich kann, im Kreise der guten Leute von Linderfall genießen, meine Pfeife hier auf meinem Grübelstein rauchen und die Wunder des Geas auf mich wirken lassen. Könnte es ein schöneres Leben geben? Hier ist es sicher, und ich bin nie gezwungen, Magie zu wirken. Thomas ist mit allen gut Freund, und seine Töchter erfreuen die Seele, nicht wahr?«
» Ja«, antwortete Jillan wie betäubt. Er wollte den Makel anrufen, wagte es aber nicht, denn er hätte ja wieder die Kontrolle über ihn gewinnen können.
» Bist du dir sicher, dass du keinen Zug möchtest? Du wirkst ein bisschen überwältigt, Jillan. Der Rauch wird dich beruhigen und dir helfen, alles klarer zu sehen.«
Die Pfeife wurde ihm in die Hand gedrückt, und er hielt sie schlaff und starrte wie im Traum in die Landschaft. Magie war gefährlich. Sie schadete Unschuldigen. Sie machte ihn zu einem Ungeheuer, das sich um nichts und niemanden mehr kümmerte. Sie würde alles nur noch schlimmer machen, wenn er versuchte, sie einzusetzen, um jemandem zu helfen. Es würde das Beste sein, wenn er nichts tat und sich von Orten fernhielt, an denen er in Versuchung geraten oder gar gezwungen sein würde, seine Magie einzusetzen. Vielleicht war es angeraten, stattdessen an einem Ort wie Linderfall zu bleiben.
Als die Sonne den Horizont berührte, brach sich ihr Licht für einen Augenblick und ließ ihn blinzeln. Wie lange saß er schon hier? Die Pfeife war ausgegangen. Er streckte sie Bion wieder hin.
» Ich muss los«, sagte er drängend. » Wenn wir vor dem Dunkelwerden nicht aufbrechen…«
» Aber wir haben unsere Plauderei über die Magie doch noch gar nicht beendet, Jillan«, sagte der Gnom tadelnd.
» Ich muss meine Eltern in Hyvans Kreuz retten.«
» Aber sie würden nicht
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