Das Wispern der Schatten - Roman
Großmaul? Ich kann nicht glauben, dass du noch nie vom Sonderbaren gehört hast, auch bekannt als Herr des Chaos, als Großer…«
» Es kümmert mich nicht, für wen du dich hältst!«, rief der heilige Virulus von einem Felsen herab, der ihn größer als seine Handlanger wirken ließ. » Das hier ist meine Region, und ich habe die Absicht, dafür zu sorgen, dass alles hier seine Ordnung hat. Das ist die einzige Möglichkeit, dem Chaos einen Strich durch die Rechnung zu machen und die Ewigkeit zu gewährleisten.«
» Ich weiß nicht, wie es dir gelungen ist, die Luft da oben zu verändern, aber wenn du glaubst, dass du auch nur die geringste Aussicht hast, den Herrn des Chaos in › Ordnung‹ zu bringen…«
» Ruhe! Ich kontrolliere die Elemente dieser Region. Kontrolle, Kontrolle, Kontrolle. Nicht einmal die Luft strömt ohne mein Gebot. Niemand kann ohne meine Erlaubnis auch nur atmen oder sprechen. Ruhe, sage ich!«
Dem Sonderbaren wurde ein Knebel aus Luft in den Mund geschoben, um ihn am Sprechen zu hindern. Er spuckte ihn wütend aus. » Das reicht! Ich werde dich wie Dung über diese Region verschmieren. Der Boden hätte es ohnehin nötig. Freu dich, dass du in deinem geistlosen Leben zumindest ein einziges Mal von einem gewissen Nutzen sein wirst!«
» Ich werde dich Ordnung lehren!«, rief der Heilige. » Ich habe genug von deinen widerspenstigen Worten und tollwütigen Tiraden, du… du… Vagabund. Werft das Netz über ihn!«
Ein hauchdünnes Netz aus Sonnenmetall wurde über den Sonderbaren geworfen. Er streifte es schulterzuckend ab und lachte leise. » Nicht auszudenken, dass ich neulich tatsächlich gezögert habe, dich zu töten, weil die Erlöser deswegen einen Aufstand machen könnten! Jetzt ist mir klar, dass ich ihnen einen Gefallen tun werde. Und ich muss ja schließlich auch an meinen Ruf denken. Wenn ich dir das durchgehen lassen und die Sache sich herumsprechen würde, dann würde jeder alberne Heilige, dem ich begegne, es sich nicht nehmen lassen, mir in die Quere zu kommen.« Er machte einen Schritt auf den Heiligen zu.
» Fangt ihn! Fangt ihn!«, drängte der heilige Virulus. » Ich sorge für Ordnung!«
Zwei Netze wurden zugleich geworfen. Der Sonderbare verflüssigte sich und glitt zwischen ihnen hindurch, wobei sein Sonnenmetallhelm vom Strom getragen wurde.
» Und was nun?«, fragte der Sonderbare.
Der Heilige hob die Hände mit nach innen gerichteten Handflächen über den Kopf, als ob er einen Steinklotz festhielte. Er schleuderte die Luft auf den Sonderbaren. Der Sonderbare wurde zum Geist, und die Macht ging geradewegs durch ihn hindurch, aber sein Helm verrutschte ein wenig.
» Und was nun?«, fragte er, während er sich den Helm zurechtrückte und noch einen Schritt näher kam.
» Greift ihn an!«, rief der Heilige seinen sechs Männern zu. » Für das Reich!«
» Bleibt, wo ihr seid!«, bannte der Sonderbare sie mit einem Melodiefetzen und einem verliebten Seufzen. Er trat noch einen Schritt näher heran. » Und was nun? Deine Befehle haben versagt, und deine Bemühungen, über die Materie zu gebieten, sind beschränkt. Was nun, geistloser kleiner Heiliger? Gibst du zu, dass Unordnung genauso eine Daseinsberechtigung hat wie Ordnung? Gibst du zu, dass nichts allbeherrschend und allmächtig sein kann, wenn es diese Welt überhaupt geben soll? Gibst du zu, dass deine Erlöser nicht ewig sind?«
» Anarchist!«, stieß der Heilige mit zusammengebissenen Zähnen hervor und ließ Flammenspiralen aus seinen Händen aufsteigen, um den Sonderbaren darin einzuhüllen.
» Wie töricht von mir«, sagte der Sonderbare. » Natürlich gibst du es nicht zu. Das wäre ein zu großes Eingeständnis eines Fehlers und Irrglaubens und deiner eigenen Unzulänglichkeit. Der Mensch ist ein Geschöpf, das sich derart selbst belügt! Welch eine selbstzerstörerische Weltsicht und Philosophie. Allein der Gedanke, dass man sich der Welt aufzwängen kann, die einen erschaffen hat, und dass man sie absolut beherrschen kann! Welch Zirkelschluss, welch Irrtum! Siehst du nicht, dass es der Versuch selbst ist, der dir immer zum Verhängnis wird? Aber ich weiß, warum deinesgleichen so handelt. Ich bin nicht verständnislos, noch nicht einmal unbarmherzig. Es liegt daran, dass ihr euch so allein und verloren im Universum fühlt, nicht wahr? Komm, lass mich dich halten.«
Die feurige Gestalt brannte in allen Regenbogenfarben, als sie auf den Felsen stieg und den Heiligen umarmte.
» Neeiin!«,
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